Gefühlt gibt es heute mehr Gewitter als früher. Studien belegen diese Einschätzung für bestimmte Regionen. Auch Meteorologen sehen einen signifikanten Zusammenhang zwischen weltweit steigenden Temperaturen und dem Auftreten von Gewittern. Doch deutet das schon auf einen globalen Trend hin?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

In der Nacht zum Donnerstag (17. August) hat es in Deutschland wieder mal ordentlich gerumst. Im Rhein-Maingebiet um Frankfurt wüteten heftige Gewitter, die mit einer „außerordentlich hohen Blitzfrequenz eine regelrechte Lichtshow geliefert haben“, wie Felix Dietzsch von der Wettervorhersagezentrale des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach erklärt. Laut DWD fielen teilweise innerhalb weniger Stunden 50 bis 80 Liter pro Quadratmeter.

 

Auch über Gelsenkirchen und Recklinghausen zogen Gewitter und Starkregen hinweg. Genauso wie im Südwesten, in Thüringen und Bayern, wo sich zahlreiche Gewitter entluden.

Nach dem Gewitter ist vor der Hitzewelle

Nach den heftigen Gewittern rollt nun die nächste Hitzewelle auf Deutschland zu. Auch nachts kühlt es sich nicht mehr ab, die Belastung für die Menschen wächst. Die Unwetter und Blitze-Kaskaden lassen jedoch nach. „Der große Knall ist vorüber“, sagt Dietzsch. Die Unwetterneigung lasse in den kommenden Tagen mehr und mehr nach, dafür kehre die Hitze zurück.

Vor allem im Süden steht demnach in den nächsten Tagen „eine signifikante Hitzewelle“ bevor, die für schwül-warmes Wetter und Höchstwerte von deutlich über 30 Grad sorgt. Dietzsch: „Ein erster Höhepunkt wird dabei bereits am Samstag erreicht.“ Dann würden die Temperaturen bis in den Nordosten hinein auf 32 bis 35 Grad steigen.

Nimmt die Zahl der Gewitter zu?

Das gehäufte Auftreten lokaler Gewitter in den vergangenen Tagen deutet allerdings (noch) nicht auf einen generellen meteorologischen Trend hin. Vor allem lässt sich daraus kein eindeutiger, wissenschaftlich belegbarer Zusammenhang mit dem Klimawandel ableiten.

Gefühlt mag es so sein, was auch Meteorologen betätigen. Doch für eine hieb- und stichfeste Science-Expertise für ganz Deutschland, Europa oder sogar die Welt fehlt eine breit angelegte, empirisch belastbare Datenbasis.

Wie beeinflusst der Klimawandel die Entstehung von Gewittern?

Für einzelne Weltregionen gibt es diese Datenbasis allerdings schon – etwa für die Ostalpen. Dort hat sich die Zahl der Blitze in den Hochlagen nach Angaben eines Innsbrucker Forscherteams seit 1980 verdoppelt. Maßgeblicher Grund dafür ist laut den Wissenschaftlern der Klimawandel und die dadurch steigenden Temperaturen, welche sowohl die Gewitter- als auch die Blitzhäufigkeit beeinflussten.

Die Atmosphären- und Statistikwissenschaftler aus der Tiroler Landeshauptstadt kombinierten für ihre Studie, die im Fachmagazin „Climate Dynamics“ veröffentlicht worden ist, mehrere Informationsquellen und griffen auf weitere Analysen der vergangenen vier Jahrzehnte zurück.

Klimawandel führt zu mehr Blitzen im Gebirge

„Unsere Analysen über diesem Gelände haben nun ergeben, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen die Gewitter- und damit die Blitzhäufigkeit noch weiter steigen lassen“, erklärt der Forscher Thorsten Simon. Dass dieser Trend so eindeutig im Einklang mit den globalen Veränderungen des Klimasystems stehe, habe das Team überrascht.

Die intensivsten Veränderungen traten laut den Innsbrucker Wissenschaftlern zwischen 1980 bis 2019 in den Hochalpen auf. In diesen Bereichen erreiche die Blitzsaison ein stärkeres Maximum und beginne einen Monat früher. Ähnliche Signale entlang des südlichen und nördlichen Alpenrands seien vorhanden, aber schwächer. Die flachen Gebiete rund um die Alpen zeigten keinen signifikanten Trend.

Höhere Temperaturen – mehr Gewitter

Die Wetterdynamik in den Ostalpen ist beileibe keine Ausnahme. Die Gefahr extrem heftiger Gewitter nimmt mit steigenden Temperaturen zu. „Gewitter leben von Hitze unten und Kälte oben, weil die Temperaturunterschiede sehr groß sind“, erläutert der Meteorologe Uwe Schickedanz.

Die Gefahr extrem heftiger Gewitter nehme daher mit steigenden Temperaturen laufend zu, solange es zudem auch feucht sei. „Je mehr Wärme ich habe, umso heftigere Gewitter habe ich. Mehr Wärme entsteht auch durch die Erwärmung des Klimas.“

Zunahme von Gewittern in der Arktis

US-Forscher haben schon vor einiger Zeit nachgewiesen, dass es mittlerweile in der Arktis etwa eine Viertelmillion Mal im Jahr blitzt und donnert, etwa sieben Mal so oft wie noch im Jahr 2010. Als Ursache vermuten die Forscher wärmere Sommer im hohen Norden, ausgelöst vom Klimawandel. In Sibirien ist die höhere Gewitterneigung eine Gefahr für die Wälder, da Blitzeinschläge Feuer auslösen können.

Klimaforscher warnen davor, dass sich starke Gewitter in Zukunft bei weiterer Erderwärmung vermehrt bilden könnten. Dem UN-Klimarat IPCC zufolge deuten Studien für alle untersuchten Weltregionen auf einen „Trend zu stärkeren Gewittern“ hin.

Häufigere und heftigere Gewitter in Deutschland zu erwarten

Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf hält es für wahrscheinlich, „dass wir auch in Deutschland künftig mit häufigeren heftigen Gewittern rechnen müssen“. Der Grund hierfür sei die Physik: Eine wärmere Atmosphäre könne mehr Wasserdampf halten, entsprechend stärker können die Niederschläge ausfallen, so Rahmstorf.

Der Klimaexperte verweist auf eine Studie des Schwedischen Meteorologischen Instituts, für die Messdaten über Gewitterregen ausgewertet wurden. Sie zeige, „dass diese konvektiven Niederschläge noch rascher zunehmen, als es aufgrund der höheren Wasserspeicherfähigkeit von wärmerer Luft zu erwarten wäre.“

Höhere Gewitterneigung im Süden

Untersuchungen von Klimaforschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) belegen diesen Trend: Sie fanden heraus, dass in Deutschland die Wahrscheinlichkeit für schwere Gewitter in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.

Die Wissenschaftler haben für ihre Untersuchungen Radarmessungen, Daten von Versicherungen und Simulationen mit regionalen Klimamodellen ausgewertet. „Das Gewitterpotenzial hat eindeutig zugenommen“, erklärt KIT-Meteorologe Michael Kunz.

Laut KIT zeigt sich eine Zunahme in ganz Deutschland mit Ausnahmen des Nordostens. In Süddeutschland, wo die Gewitterneigung höher ist als im Norden, betrug die Zunahme zwischen vier und acht Tagen pro Jahr. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verstärken.

Stärkere Turbulenzen in der Atmosphäre

Nach Aussage von Meteorologen haben Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Bodennähe erheblich zugenommen, in höheren Schichten dagegen nicht. Dadurch gibt es mehr Aufwinde, so dass das Energiepotenzial für Gewitterstürme und Hagel steigt.

Wie oft hat es 2023 in Deutschland geblitzt?

Wie Deutschlandweit war Fürstenfeldbruck in Bayern mit 31,4 Blitzen pro Quadratkilometer Spitzenreiter. In ganz Deutschland blitzte es vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2023 knapp zwei Millionen Mal. Die Zahl der Blitzentladungen beträgt laut Nowcast-Geschäftsführer Richard Fellner 84 Prozent des Durchschnittswertes der vergangenen zehn Jahre.

Ungewöhnlich reich an Gewittern ist demzufolge der März mit 113 000 Blitzentladungen gewesen. Als Gewittersaison gelten in Deutschland die Monate von Mai bis August.

Wie oft hat es 2023 in Baden-Württemberg geblitzt?

Baden-Württemberg steht im Ranking der 16 Bundesländer in der ersten Jahreshälfte 2023 auf Platz zwei. Bayern ist mit rund 550 000 Blitzen das blitzreichste Bundesland. Insgesamt zählte das Blitzmesssystem im Südwesten 253 021 Blitze, wie das Münchner Blitzortungsunternehmen Nowcast mitteilt.

Der Landkreis mit der höchsten Blitzdichte in Baden-Württemberg war demnach Ulm mit 20,8 Blitzen pro Quadratkilometer.

Info: Gewitter, Blitz und Donner

Was ist ein Blitz?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach definiert Blitze als „Funkenüberschlag großen Ausmaßes zwischen Wolken mit entgegengesetzter Ladung oder zwischen Wolken und der Erdoberfläche“. Die unglaublich Energie, die in Blitzen gespeichert ist, entlädt sich binnen Zehntelsekunden.

Wie berechnet man den Abstand zu einem Gewitter?
Wenn man sich beim Gewitter, bei dem sich gewaltige elektrische Spannungen entladen, im Freien aufhält, sollte man wissen, wie weit die Blitze noch entfernt sind. Die Distanz zu einem Gewitter berechnet man, indem man die Zeit zwischen Blitz und Donner in Sekunden mit der Schallgeschwindigkeit (343,2 Meter pro Sekunde) multipliziert und die Summe durch 1000 teilt.

Blitz-Rechenformel
Entfernung (in km) = Sekunden zwischen Blitz und Donner x Schallgeschwindigkeit : 1000 – Sie messen einen zeitlichen Abstand zwischen Blitz und Donner von zehn Sekunden. In Metern beträgt die Entfernung: zehn Sekunden x 343,2 Meter pro Sekunde – also 3432 Meter, die durch 1000 geteilt werden, um die Kilometerzahl zu erhalten. Ergebnis: Der Blitz ist 3,43 Kilometer von ihnen entfernt.