In London zeichnen sich neue Grenzregelungen für die Zeit nach dem Austritt aus der EU ab. Unterdessen tritt Premierministerin Theresa May in harte Verhandlungen beim Gipfeltreffen der EU in Salzburg.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Sechs Monate vor dem Brexit-Datum geht es hoch und zunehmend laut her bei den Austrittsverhandlungen der Briten mit dem Rest Europas. Premierministerin Theresa May hat den Europäern erklärt, dass sie die britischen Vorstellungen zum Austritt akzeptieren müssten – oder dass es zu keiner Einigung kommt. Gleichzeitig wird in London bereits in aller Stille an der Zukunft für die Post-Brexit-Ära gearbeitet. Wie diese aussehen soll, darüber hat sich May bisher eher vage geäußert. Die Veröffentlichung eines lang versprochenen „Weißbuchs“ durch das Innenministerium ist mehrfach verschoben worden. Es soll nun irgendwann in diesem Herbst vorgelegt werden.

 

Die EU fordert weiterhin Forzugsbehandlungen für EU-Mitglieder

Geplant ist auch ein neues Migrationsgesetz. Was in diesem Fall in Planung ist, beginnt sich mittlerweile abzuzeichnen. Der von der Regierung eingesetzte Ratgeberausschuss für Migrationsfragen hat just einen Bericht vorgelegt, der nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU die Abschaffung aller „Vorzugsbehandlung für EU-Bürger“ fordert. Kontinental-Europäer, die schon auf der Insel leben, will man notgedrungen weiter im Lande tolerieren. Aber für Neuzuzügler aus Europa sollen die Schranken herunter gehen.

Wer von jenseits des Ärmelkanals kommt und künftig im Vereinigten Königreich leben, arbeiten oder studieren will, soll sich um ein entsprechendes Visum bewerben. Dem Ausschuss zufolge erlaubt es der EU-Austritt den Briten endlich, alle Zuwanderung nach Britannien „im globalen Rahmen“ zu regeln. Das entspricht ganz den Vorstellungen Mays und ihres Innenministers Sajid Javid. Javid hatte schon im Sommer erklärt, mit dem automatischen Recht von EU-Bürgern zur Ansiedlung in Großbritannien müsse es ein Ende haben. Und Labours Schatten-Innenministerin Diane Abbott unterstützt die Position der Regierung in dieser Frage. Es müsse endlich „Schluss sein mit der diskriminierenden Behandlung von Nicht-EU-Migranten, vor allem aus dem Commonwealth“, meint Abbott. „Ein voll qualifizierter Arzt aus Pakistan“, erklärt die Labour-Politikerin, „gilt uns genau so viel wie ein voll qualifizierter Arzt aus Polen.“ In der Praxis bedeutet das, dass Europäer vom Festland, die nach England übersiedeln wollen, künftig bei der Bewerbung um eins der zahlenmäßig begrenzten Visa im Wettbewerb liegen mit Antragstellern aus aller Welt.

Die britische Regierung will anhand der Visumsfrage mit der EU handeln

Der BBC zufolge verstärkt der Ausschussreport den Druck auf die Regierungschefin, bei den Brexit-Verhandlungen in Sachen Freizügigkeit nicht nachzugeben. Der Report selbst lässt allerdings ein diplomatisches Hintertürchen offen. Dort ist zu lesen, dass die Visumfrage bei den Verhandlungen mit der EU natürlich dazu benutzt werden könnte, zu einem besseren Handels-Deal zu kommen. Kritiker des Ausschusses haben darauf hingewiesen, dass der wissenschaftliche Teil des Reports deutlich macht, dass der Zuzug von EU-Bürgern den Briten weit mehr Nutzen als Probleme gebracht hat, auch im finanziellen Sinne. Wirtschaftsunternehmen haben den Report scharf kritisiert, weil er nur Fachleuten mit relativ hohen Einkünften den Weg nach Großbritannien ebnen will, den Bedarf der britischen Wirtschaft an Saisonarbeitern und anderen Hilfskräften aber ignoriert.

Nur Bürger aus Irland können bisher uneingeschränkt einreisen

Auch für Touristen aus der EU wird sich nach dem Brexit wohl einiges verändern. Sie sollen weiter ohne Visum einreisen können, werden sich aber künftig bei der Ankunft in Großbritannien wohl in die lange „Nicht-Briten“-Schlange einreihen müssen. Nur irische Staatsbürger genießen, wegen der speziellen gemeinsamen Reisezone zwischen Großbritannien und Irland, auch nach dem Brexit das Privileg freier Einreise und Ansiedlung auf den Britischen Inseln.