Corona-Hotspot Hildburghausen Entsetzen und Appelle nach Protest gegen Lockdown

Der Landkreis Hildburghausen hat bundesweit das höchste Infektionsgeschehen. Ein harter Lockdown soll die Welle brechen. Doch mehrere hundert Menschen ziehen dagegen in Hildburghausen singend durch die Straßen.
Hildburghausen - Trotz rasant steigender Infektionszahlen sind im bundesweiten Hotspot-Landkreis Hildburghausen mehrere hundert Menschen gegen den strengen Lockdown auf die Straße gegangen. Der Protest in der Südthüringer Stadt wurde am Mittwochabend nach knapp zwei Stunden von der Polizei mit Hilfe von Pfefferspray aufgelöst. Landes- und Kommunalpolitiker zeigten sich am Donnerstag entsetzt über den Aufmarsch und appellierten an die Menschen, die Corona-Auflagen zu befolgen.
Lesen Sie auch: Aktuelle Zahlen zur Pandemie
In Hildburghausen hatten sich am Mittwochabend ungeachtet geltender Ausgangsbeschränkungen 400 Menschen versammelt. Sie zogen laut Polizei singend und mit Sprechchören wie „Friede, Freiheit, Demokratie“ durch die Stadt. Parallel zu dem Protest berieten die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über weitere Schritte zur Eindämmung der Pandemie.
Demonstranten trugen kaum Schutzmasken
Viele der Protestteilnehmer trugen laut Polizei keinen Mund-Nasen-Schutz und hielten den Mindestabstand nicht ein. Den etwa 30 Beamten gelang es schließlich, die Protestierenden zu zerstreuen. 30 Teilnehmer erhielten demnach eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Verletzte und Festnahmen gab es den Angaben zufolge nicht.
Wer zu dem Protest aufgerufen hat, ist laut Polizei derzeit noch unklar. Dazu liefen Ermittlungen. Hinweise auf einen rechten Initiator gebe es derzeit aber nicht, sagte die Sprecherin der Landespolizeiinspektion Suhl, Julia Kohl, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Eine Anmeldung für eine Demonstration gab es laut Landratsamt im Vorfeld nicht.
Harter Lockdown im Landkreis Hildburghausen
Der Landrat des Kreises Hildburghausen, Thomas Müller (CDU), sagte, die Protestteilnehmer seien organisiert gewesen und formiert durch Hildburghausen gezogen. „Die sind untereinander alle vernetzt, das ist dasselbe Strickmuster wie in Leipzig und Berlin - nur kleiner.“ Es habe eine aggressive Stimmung geherrscht, Mitarbeiter des Ordnungsamtes und Polizeibeamte seien beschimpft worden. Nach Angaben von Bürgermeister Tilo Kummer (Linke) sprachen die Teilnehmer von einem „Spaziergang“. Es habe bereits seit Tagen Aufrufe im Netz gegeben, einige Teilnehmer hätten Transparente und Kerzen getragen.
Im Kreis Hildburghausen gilt aufgrund explodierender Infektionszahlen seit Mittwoch ein harter Lockdown. Die rund 63 000 Einwohner in der Region dürfen bis zum 13. Dezember ihre Wohnungen nicht mehr ohne triftigen Grund verlassen, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen. Am Donnerstag wurde mit 602,9 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche erstmals ein Wert von mehr als 600 erreicht. Das ist deutschlandweit weiter der höchste Wert.
Bodo Ramelow appelliert an die Bürger
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die Menschen im Landkreis Hildburghausen, sich an die neuen Infektionsschutzregeln zu halten. Es gebe ein großes Bemühen, mit strengeren Maßnahmen „Leib und Leben von Menschen zu schützen“, sagte Ramelow. Die Protestierenden hätten das Signal gegeben, dass sie das Infektionsgeschehen in ihrem Kreis nicht interessiere.
Landrat Müller kritisierte die Proteste als unverantwortlich. Die Teilnehmer hätten nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet. Rathauschef Kummer sagte: „Es fehlt das Verständnis für die Maßnahmen. Die Information war bisher nicht die beste.“ Das sei ein Stück weit auch als Selbstkritik gemeint.
Thüringens Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, zeigte sich entsetzt: „Das hat mich fast sprachlos gemacht, als ich die Bilder gesehen habe. Die haben offenkundig nicht verstanden, wie ernst die Situation ist.“ CDU-Landesparteichef Christian Hirte kritisierte das Verhalten auf Twitter ebenfalls als „völlig unverantwortlich und inakzeptabel“.
Unsere Empfehlung für Sie

Neue Corona-Maßnahmen verkündet Lockdown verlängert, schärfere Maskenpflicht, Schulen länger dicht
Kaum jemand hatte daran gezweifelt: Die Menschen in Deutschland werden sich wegen der Corona-Pandemie weiter stark einschränken müssen. Die Virusmutationen macht Bund und Ländern so viel Sorge, dass einzelne Regeln noch verschärft werden.

Alternativen zur Lockdown-Verschärfung Verbote allein helfen nicht
Am Dienstag wird wieder über neue Verbote und Verschärfungen gegen die Ausbreitung des Coronavirus diskutiert. Dagegen würde ein neuer Fokus gerade den vielen Vernünftigen helfen.

Neue Corona-Regeln Der Lockdown zieht sich in die Länge
„Pandemiemüdigkeit“ hilft nicht gegen das Virus. Der Lockdown wird uns vorerst erhalten bleiben. Das ist kein Ergebnis willkürlicher Politik, sondern mit Rücksicht auf das Infektionsgeschehen unvermeidlich, kommentiert Armin Käfer.

Bund-Länder-Treffen zum Coronavirus Kanzleramt schwächt Beschlussvorlage leicht ab
Das Kanzleramt ändert kurz vor Beginn der Verhandlung mit den Länderchefs einige Punkte der Beschlussvorlage leicht ab. Die Maßnahmen sollen doch nicht ganz so streng sein, wie ursprünglich vorgesehen.

Coronavirus in Deutschland Markus Söder: Lockdown bis Mitte Februar verlängern
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert vor den Bund-Länder-Beratungen am Dienstag eine Fortführung des Lockdowns bis Mitte Februar. Eine Verschärfung im Freistaat sei aber nicht geplant.

Coronavirus in Europa EU-Kommission will bis Sommer 70 Prozent der Erwachsenen impfen
Schnell mehr impfen und gleichzeitig wachsam bleiben: Brüssel drängt die EU-Staaten erneut, im Kampf gegen die Corona-Pandemie an einem Strang zu ziehen. Die Virus-Variationen bereiten Sorgen.