Die Hersteller lassen sich offenbar auf keine Vergleichsverhandlungen mit den Spediteuren ein. Daimler geht gegen Grundurteile in Berufung. Die Gerichte verlangen den Nachweis des konkreten Schadens.

Stuttgart - Die Liste der Kläger, die von den Lastwagenherstellern wegen überhöhter Preise Schadenersatz haben wollen, ist lang. Sie reicht von der kleinen hessischen Gemeinde Ebsdorfergrund, die von Daimler ein einzelnes Lkw-Fahrgestell gekauft hat, um darauf die Aufbauten für ein Feuerwehrfahrzeug errichten zu lassen, bis zu der ungarischen Großspedition Waberer’s, die in den Zeiten des Kartells von 1997 bis 2011 mehrere tausend Fahrzeuge gekauft hat.

 

Die EU-Kommission hat gegen die Hersteller Daimler, DAF, Iveco, Volvo/Renault und Scania bereits ein Bußgeld von insgesamt 3,8 Milliarden Euro verhängt (wogegen Scania sich noch wehrt). Den Schadenersatz müssen sich die Kunden selbst erkämpfen, wobei sie ihre Ansprüche gegen jedes Kartellmitglied geltend machen können, unabhängig davon, bei welchem der Hersteller sie ihre Fahrzeuge gekauft haben. Auch die VW-Tochter MAN kann verklagt werden; sie war ebenfalls an dem Kartell beteiligt, ging als Hinweisgeber aber straffrei aus.

Nur ein Informationsaustausch über Preise?

„David gewinnt gegen Goliath“, hat Ebsdorfergrund am 24. Juli 2018 eine Pressemitteilung nach dem Urteil des Stuttgarter Landgerichts (Az. 30 O 33/17) überschrieben. Die Gemeinde weist aber selbst darauf hin, dass das Gericht in einem Grundurteil nur festgestellt hat, dass die Forderung berechtigt ist; über die Schadenshöhe – die Bürgermeister Andreas Schulz mit 7000 Euro veranschlagt – muss noch entschieden werden. Die meisten eingereichten Klagen sind solche zweistufigen Feststellungsklagen. Hierbei spart der Kläger im ersten Schritt erst einmal die Kosten für das nicht ganz billige Gutachten zur Ermittlung des konkreten Schadens. Andererseits hat der Beklagte die Möglichkeit, sich schon gegen das Grundurteil zur Wehr zu setzen und in die Berufung zu gehen.

Es gibt bereits mehrere Grundurteile, die den Klägern grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz zusprechen. So hat das Landgericht Stuttgart im Fall eines Spediteurs, der im Zusammenhang mit dem Kauf von vier Lastwagen Schadenersatz will (Az. 45 O 6/17), die Behauptung der Hersteller zurückgewiesen, es habe nur ein Informationsaustausch über Listenpreise stattgefunden, ohne dass dies zu höheren Endpreisen geführt hätte. Das Gericht stellte fest: „Zeitliche Dauer, räumliche Ausdehnung und organisatorischer Aufwand sind nur erklärlich, wenn den Lkw-Herstellern durch den Informationsaustausch ein finanzieller Vorteil entstand.“ Wie zu hören ist, hat zumindest Daimler gegen entsprechende Grundurteile Berufung eingelegt.

Das Landgericht München geht seinen eigenen Weg

Die Hersteller, die sich dem Vernehmen nach bisher nicht auf Vergleichsverhandlungen eingelassen haben, spekulieren darauf, dass sich ein konkreter Schaden nicht nachweisen lassen wird. Die Spediteursvereinigung Elvis mit Sitz in Alzenau bei Aschaffenburg ist deshalb anders vorgegangen und hat gegen Daimler gleich eine Leistungsklage eingereicht. Der Schaden beim Kauf von 16 600 Lastwagen wurde mit Hilfe eines Gutachtens sofort beziffert: auf 90 Millionen Euro zuzüglich 86 Millionen Euro Zinsen. Genauso wollen die Franken auch bei einer zweiten Klage vorgehen, die im nächsten Jahr eingereicht werden soll und 10 000 Fahrzeuge betrifft. „Die anderen Kläger schieben das Thema der Schadensbezifferung vor sich her“, sagt Rechtsanwalt Moritz Lorenz, dessen Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein die Klagen für Elvis auf den Weg gebracht hat.

Das Landgericht München geht deshalb auch einen anderen Weg als zum Beispiel die Gerichte in Stuttgart und Hannover. Die Münchner haben im November begonnen, nicht nur über die grundsätzlichen Ansprüche, sondern auch gleich über die Geldforderungen zu verhandeln. Dass die Latte für die Kläger hoch liegt, wurde gleich am ersten Tag klar. Da reiche keine Forderung „ins Blaue“, zitierten die Nachrichtenagenturen das Gericht. Die wohl größte in München anhängige Klage vertritt die Rechtsanwaltskanzlei Hausfeld, die für den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) arbeitet. Die im Dezember 2017 eingereichte Klage betrifft 85 000 Lastwagen; wegen drohender Verjährung wurde der Schwerpunkt auf Käufe bis zum Jahr 2003 gelegt. Dabei geht es um einen Schadenersatz von etwa 500 Millionen Euro. In einer ähnlichen Größenordnung liegt die zweite BGL-Klage, die Hausfeld in den nächsten Tagen einreichen will. Gegenstand sind etwa 65 000 Fahrzeuge, die bis 2016 gekauft wurden.

Den Klägern entstehen keine Kosten

Der BGL arbeitet mit Hilfe der Kanzlei Hausfeld nach einem Modell, das es Klägern ermöglicht, auch Ansprüche von ein paar tausend Euro geltend zu machen; es entstehen keine Kosten. Die Schadenersatzansprüche werden dafür an den Spezialisten Financialright Claims abgetreten, der sie vor Gericht geltend macht und im Erfolgsfall bis zu einem Drittel der Schadensumme als Provision erhält. Zudem ist der Prozesskostenfinanzierer Burford Capital mit im Boot.