Der Stuttgarter Technologiekonzern, der nach eigenen Angaben technologisch auf Augenhöhe mit den asiatischen Anbietern ist, findet den Bau neuer Fabriken zu risikoreich. Trotzdem will der Zulieferer bis 2020 marktführend in der Elektromobilität sein.

Stuttgart - Der weltgrößte Autozulieferer Bosch hat sich gegen eine eigene Fertigung von Batteriezellen entschieden. „Bosch wird auch in Zukunft Zellen zukaufen und daraus Batterien zusammenbauen“, sagte Rolf Bulander, in der Bosch-Geschäftsführung zuständig für den Bereich Mobility Solutions – die frühere Kraftfahrzeugtechnik. Eine solche Investition sei zu teuer und zu riskant, begründete er die Entscheidung, die ursprünglich bereits für Ende 2017 angekündigt war.

 

Mit Spannung war die Entscheidung erwartet worden. Nicht zuletzt die Politik in Berlin und Brüssel dringt auf eine eigene Fertigung. „Wir müssen die Zellen technisch verstehen, wir müssen sie nicht fertigen“, sagte dagegen Bulander. „Die Zellfertigung ist für unseren Erfolg nicht ausschlaggebend.“ Entscheidend sei vielmehr die Systemkompetenz, so Bulander – die Zelle sei nur eine Komponente eines gesamten Systems. Und die Systemkompetenz traut sich Bosch zu. Der Technologiekonzern will 2020 führend im bis dahin entstehenden Massenmarkt der Elektromobilität werden.

Käufer für Seeo gesucht

„Technisch haben wir sehr gute Fortschritte in unserer Zellentwicklung erzielt“, betonte Bulander. Dazu beigetragen habe sowohl das Entwicklungs-Joint-Venture gemeinsam mit den japanischen Konzernen GS Yuasa und Mitsubishi als auch das vor einigen Jahren gekaufte amerikanische Start-up Seeo. Gemeinsam hatte man sich auf die nächste Zellgeneration, die sogenannte Festkörper-Technologie, konzentriert. Mit dieser Technologie könne es gelingen, die Energiedichte von Batterien zu verdoppeln und die Kosten mehr als zu halbieren. Somit würde sich die Reichweite der E-Autos deutlich erhöhen, und sie würden billiger, erklärte Bulander. „Dazu ist jedoch noch ein hoher Forschungsaufwand erforderlich“, fügte er hinzu.

Jetzt soll das Start-up Seeo mit rund einem Dutzend Mitarbeiter verkauft werden. Bosch sei bereits in Gesprächen mit Kaufinteressenten, die die Forschungsarbeit weiterführen sollen.

Wirtschaftliche Aspekte zählen

Trotz der technologischen Fortschritte: Ausschlaggebend für das Nein waren die wirtschaftlichen Aspekte einer Zellfertigung, die nach Aussagen von Bulander zu „risikobehaftet“ seien. „Eine solche Investition ist im Gesamtinteresse des Unternehmens nicht vertretbar“, fügte er hinzu. Dabei dürften auch die schlechten Erfahrungen beim Ausflug in die Fotovoltaik eine Rolle gespielt haben, ohne dass Bulander darauf einging. Vor einigen Jahren war Bosch zu einem der führenden Anbieter von Solarzellen aufgestiegen. Doch die Chinesen, die mit Dumpingpreisen den europäischen Markt für Fotovoltaik geradezu überschwemmten, haben Bosch stark belastet. Letztlich hat der Konzern das Geschäft an den Bonner Anbieter Solarworld quasi verschenkt. Zurück geblieben waren Verluste in Milliardenhöhe.

Wie hoch das Risiko bei einer eigenen Zellfertigung gewesen wäre, rechnete Bulander vor: Bis 2030 werde weltweit Batteriekapazität von 1000 Gigawattstunden benötigt. Um einen Marktanteil von 20 Prozent zu erreichen – Bosch strebt bei allen Aktivitäten eine führende Position an –, wäre eine Investition von 20 Milliarden Euro erforderlich. Doch für einen Neueinsteiger wie Bosch seien die „Rahmenbedingungen am Markt mehr als herausfordernd“, erläuterte Bulander. Damit spielte er auf die asiatischen Hersteller an, die den Markt für Zellen beherrschen. Sie produzierten große Mengen davon und hätten signifikante Wettbewerbsvorteile. „Da drei Viertel der Herstellkosten von Zellen auf Materialkosten entfallen – darunter auch Rohstoffe –, bleibt nur ein geringer Anteil, in dem Wettbewerbsvorteile erarbeitet und ausgespielt werden können“, sagte er. Die Möglichkeit, das Risiko zu begrenzen, indem Bosch sich an einem Konsortium mit anderen Konzernen beteiligt hätte, sei nicht in Betracht gezogen worden.

In jedem Elektroauto soll Bosch-Technik stecken

Bulander verwies darauf, dass Bosch auch ohne eigene Zellfertigung bei der Elektromobilität so breit aufgestellt sei wie kein anderes Unternehmen. Als Ziel gab er aus, dass künftig in jedem Elektroauto Bosch-Technik stecken solle. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen 20 neue Aufträge im Bereich Elektromobilität gewonnen. Welche Bedeutung die Elektromobilität künftig haben könnte, machte Bulander an einem Beispiel deutlich: Wenn alle Teile, die der Technologiekonzern anbiete, in einem Elektroauto verarbeitet würden – was freilich nie der Fall sein dürfte –, werde der Bosch-Anteil sogar noch höher liegen als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Konkrete Zahlen nannte Bulander nicht.

Bosch will sich künftig auf die Entwicklung und Produktion des Elektromotors, der Leistungselektronik und der Batteriesysteme konzentrieren. Dabei will sich der Konzern breit aufstellen – von Themen wie Energieeffizienz bis hin zu Services wie den Lade-Assistenten. Plane ein Fahrer eine Fahrt von München nach Hamburg, kenne der Assistent alle Ladestationen unterwegs und könne die nötigen Stopps vorgeben. Bosch will sich dabei nicht nur auf Pkw, sondern auch auf elektrifizierte Fahrräder, Roller und Nutzfahrzeuge konzentrieren.