Natürlich ist was dran am Titel der ZDF-Reportage „Zeitungen in Not“. Aber diese Sendung zeigt auch, dass guter Journalismus kein unverkäufliches Gut von gestern ist. Und dass es nicht um Jobmodelle, sondern um die Demokratie geht.

Stuttgart - In aller Herrgottsfrühe geht jemand durch die noch schlafende Stadt, von Briefkasten zu Briefkasten und steckt dort die Zeitungen ein. Das ist ein Akt der Vernetzung. Da wird eine Verknüpfung hergestellt, keinesfalls nur zwischen den Journalisten und ihren Kunden, oder zwischen fernen Orten und dem einzelnen Leser hier, sondern eine zwischen all den einzelnen Lesern.

 

Dass wir uns alle gemeinsam für das interessieren, was los ist im Viertel, in der Stadt, in der Welt, symbolisiert diese Verknüpfung, und dass wir bereit sind, aus unserer individuellen Filterblase herauszutreten und uns mit anderen Perspektiven und Interessen zu konfrontieren. Obendrein sind wir vereint in einer staatsbürgerlichen Überzeugung: dass es eine gemeinsame Grundlage an Fakten sowie den Willen zur Suche nach der Wahrheit geben muss, damit eine Gesellschaft überhaupt funktionieren kann.

Kein Gruselpessimismus

Die neueste Folge der TV-Reportagereihe „ZDFzoom“ beginnt denn auch mit einer Zeitungsausträgerin. Aber schon der Titel der halbstündigen Sendung macht klar, dass hier keine ewige Konstante der aufgeklärten Gesellschaft bewundert wird: „Zeitungen in Not“. Und ein wenig Weltuntergangsstimmung muss zur Einstimmung natürlich sein: „Noch“ würden Zeitungen gedruckt, heißt es da, und das Wort wird betont, als würde nun der Balztanz der beiden letzten Exemplare einer wunderschönen Vogelart gezeigt, leider beides Männchen.

Was die Reporter Nina Freydag und Wulf Schmiese – beides übrigens erfahrene Print-Journalisten – in der Folge verdichtet präsentieren, wird jedoch nicht der pure Gruselpessimismus. Auch für Neueinsteiger in die Materie werden knapp und fassbar – man kann diese Reportage vermutlich sehr gut im Schulunterricht einsetzen – die fundamentalen Herausforderungen des klassischen Journalismus durch die digitale Revolution umrissen.

Die Abonnentenzahlen gehen zurück, weil Leser meinen, im Internet gratis an alle wichtigen Informationen zu kommen. Und die Anzeigenerlöse schwinden. weil das Netz eine ganz neue Asymmetrie geschaffen hat. Unter hohen Kosten erbringen Verlage journalistische Angebote, die nach wie vor Millionen Leser locken. Aber die Anzeigenkunden werben nicht bei den Produzenten der Nachrichten, sondern bei den großen Verteilplattformen, bei Facebook und Google.

Im Kampf gegen die Lüge

„Zeitungen in Not“ blickt auch in die USA, wo es mittlerweile Städte und Regionen ohne Tageszeitungen gibt. Dass es lokale Korruption, Vetternwirtschaft und egoistische Interessendurchsetzung ohne Presse leichter haben, ist nur ein Aspekt des Problems. Seit dem Wahlsieg Donald Trumps erlebt die gesamte Weltpolitik die Folgen eines gesellschaftlichen Klimas, in dem Desinformationen sich schneller verbreiten als Informationen. Die ZDF-Reporter machen klar, dass der Kampf zwischen Fakten und Verzerrungen, das Ringen um ein nüchternes Weltbild also, längst auch in Deutschland angekommen ist. Die Zeitungsausträgerin der ersten Bilder steckt die „Lausitzer Rundschau“ in Briefkästen. Auch in dieser Region vermarktet rechtsradikale Propaganda Lügen bedrohlich erfolgreich als einzig klaren Blick auf die Realität. Der Journalismus muss die tägliche Dosis Aufklärung wie ein Gegengift liefern.

Schnell wird denn auch klar, dass in dieser Reportage eben nicht nur schaurig unterhaltsam das Totenglöcklein geläutet wird. „Zeitungen in Not“ zeigt Beispiele von Blättern, für die es bereits wieder aufwärts geht, zeigt den gelingenden Übergang auf digitale Vertriebswege und erzählt von engagierten Redaktionen, die mit den Möglichkeiten der neuen Zeit arbeiten statt den Routinen von gestern hinterher zu heulen. Statt Sticheleien zwischen öffentlich-rechtlichem System und privatem Zeitungsmarkt gibt es hier ein Gespür für die Notwendigkeit des Schulterschlusses zwischen allen ernsthaften Journalisten und wachen Bürgern. Es geht schließlich um die Demokratie.

Ausstrahlung: ZDF, 4. Juli 2018,
22.45 Uhr; danach auch in der Mediathek