1998 ist Kroatien im WM-Halbfinale an den Franzosen gescheitert. Am Sonntag sieht man sich wieder – dieses Mal im Finale. Ein Rück- und Ausblick auf ein spannendes Duell.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Rache? Ivica Olic, der Co-Trainer, gab sich geistesgegenwärtig und vernünftig, als die Frage auftauchte, ob die Kroaten nun im WM-Finale etwas gutzumachen hätten gegen die Franzosen – zumal diese die Kroaten vor 20 Jahren im WM-Halbfinale mit 1:2 aus allen Finalträumen gekegelt hatten. „Von den Spielern ist ja keiner mehr dabei“, sprach der ehemalige Bundesligastürmer in Diensten des HSV und der Bayern.

 

Wobei wir zur Vorsicht doch nochmal überprüfen wollten, ob der kroatische Mittelfeld-Evergreen Luka Modric, der mit seinen stolzen 32 Jahren auf den Plätzen dieser Weltmeisterschaft herumwieselt als wäre er zarte 18, damals nicht doch schon mitgekickt hat. Nein, hat er nicht. Nicht einmal Olic war dabei, der sein Länderspiel-Debüt erst vier Jahre später gab.

Lesen Sie hier, wie die Kroaten in Stuttgart den Halbfinal-Sieg gefeiert haben.

Die Modric-Truppe, in der auch der nicht weniger hoch veranlagte Ivan Rakitic mitmacht, kann also mehr erreichen als die große Davor-Suker-Generation von vor 20 Jahren. Sicher ist, dass die Kroaten kraft ihrer Mentalität im Finale um ihr Leben Rennen werden, den Fußball ist ja immer auch ein bisschen wie Krieg, sonst hätte ja der kroatische Abwehrrecke Domagoj Vida den Sieg gegen Russland nicht als einen „Sieg der Ukraine“ deklariert – wofür er einen einen gepflegten Rüffel von der Fifa bekam.

Gut beraten sind die Kroaten allerdings, nicht nur auf die französischen Offensivkräfte Antoine Griezmann und Kylian Mbappé zu achten – sondern auf Abwehrspieler wie Samuel Umtiti. Der rammte mit seinem Kopfballtor die tapferen Belgier im Halbfinale von der ganz großen WM-Bühne. Und wenn wir uns recht erinnern, war es 1998 in Halbfinale der französische Verteidiger Lilian Thuram, der die Kroaten mit zwei (!) Treffern aller Finalträume beraubte.

Wie die Griechen 2004?

Wie dem auch sei: Kroatien war ein Geheimtipp – und nun steht das kleine Land vom Balkan im Finale, und das tut dieser Weltmeisterschaft richtig gut. Sollen mal die anderen gewinnen, sagen sich die Zuschauer, nicht immer Argentinien, Brasilien, Spanien oder Deutschland, obwohl es für Jogi Löws müde Krieger echt besser gewesen wäre, sie hätten sich für dieses Turnier wie die Holländer und Italiener gar nicht erst qualifiziert.

Nun also Kroatien! Als Weltmeister? Unfassbar, aber doch irgendwie wie im Märchen. Wenn sie am Sonntag die Franzosen knacken, sind sie die größte Großveranstaltungs-Überraschung nach den Griechen, die 2004 dank des Rehhagel’schen Abwehrriegels (zwei Viererketten, und vorne rennt vogelwild Angelos Charisteas herum) Europameister wurden. Es werden viele sein, die den Kroaten die Daumen halten, weil der Underdog nun einmal hohe Sympathiewerte hat – und die Franzosen 1998 schließlich schon ihren WM-Titel holen durften. Nach dem Halbfinalerfolg gegen Kroatien machten sie im Endspiel übrigens die Brasilianer mit 3:0 sozusagen im Vorbeigehen platt.

Platt, das könnten im Finale dieser WM allerdings die Kroaten sein, die zuvor in drei Verlängerungen mussten und einen Tag weniger Pause haben als die Franzosen. Zur Not kann sich ja Ivica Olic nochmal kurz einwechseln. Merken würde es wohl keiner. Und für eine gepflegte Hütte ist der ehemalige HSV-Stürmer immer gut – auch heute noch.