Die archäologischen Untersuchungen in den Schnallenäckern und dem Gebiet Raite sind abgeschlossen. Sie beförderten historisch herausragende Funde ans Tageslicht.

Die Menschen, die in den Schnallenäckern leben oder dort demnächst noch bauen werden, errichten ihre Häuser auf einem Boden mit jahrtausendealter Geschichte. Denn schon vor über zweitausend Jahren haben genau dort Bauern, Handwerker und Händler gelebt, die der Kultur der Kelten zugeordnet werden. Bei den aktuellen archäologischen Grabungen seien wertvolle Funde gemacht worden, wie es sie selten in Baden-Württemberg gibt, sagte der Bürgermeister Wolfgang Faißt.

 

Fruchtbare Böden im Renninger Becken

Die Stadt hatte zum Abschluss der Grabungen in den Schnallenäckern wieder zu einem archäologischen Vortrag eingeladen. Die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer in der vollen Aula des Gymnasiums zeigten, „dass viele Menschen einen großen Bezug zu unserer Geschichte haben“, sagte Faißt.

Wo immer in Renningen und Malmsheim gegraben wird, kann man fast sicher sein, auf Relikte früherer Siedlungsformen zu stoßen. Das Renninger Becken mit seinen fruchtbaren Böden ist schon seit Jahrtausenden besiedelt, wie archäologische Funde immer wieder belegen. Heute wird aufgrund gesetzlicher Vorgaben des Denkmalschutzes der Untergrund vor Baumaßnahmen systematisch von Fachleuten untersucht, wenn wertvolle Zeugnisse vermutet werden. Doch schon früher fanden aufmerksame Bürger Hinweise auf frühe Besiedlung, etwa als 1898 am Stöckhof ein keltischer Grabhügel entdeckt wurde. In den folgenden Jahrzehnten folgten bei Bauarbeiten in Renningen und Malmsheim viele weitere Funde.

Sensationsfunde im heutigen Gewerbegebiet Raite

Richtig Fahrt auf nahm die Bodenuntersuchung aber im Zuge der Bebauung der Schnallenäcker zwischen Renningen und Malmsheim. Die Archäologen der beauftragten Firma Fodilus GmbH dokumentierten dort zunächst eine Siedlung mit Grabstellen aus der späten Hallstatt- und frühen La-Tène-Zeit um etwa 500 vor Christus. Auch das heutige Gewerbegebiet Raite östlich der Nord-Süd-Straße hatte das Grabungsteam bereits unter die Lupe genommen. Dabei wurden Brunnen mit gut erhaltenen Holzteilen sowie ein aufwendig gedrechseltes Stück Holz als Teil eines Möbelbeschlags aus der späten Keltenzeit als Sensationsfunde gemeldet.

Vor der Bebauung des dritten Abschnitts der Schnallenäcker war jetzt wieder das Grabungsteam vor Ort. „Wir arbeiten auftragsbezogen innerhalb der Grenzen der geplanten Baumaßnahmen“, erklärte Fodilus-Geschäftsführer Sascha Schmidt. Er versetzte die Zuhörer gedanklich in die Eisenzeit, wie die Epoche von etwa 1000 bis 15 vor Christus von Historikern genannt wird. Aus dieser Zeit stammen die meisten der Zeugnisse. Besonders stark vertreten sind Relikte der der La-Tène-Kultur in der jüngeren Eisenzeit. Diese wird auf etwa 450 vor Christus bis kurz vor Beginn der modernen Zeitrechnung datiert.

„Renningen liegt mitten im Verbreitungsgebiet dieser Kultur“, sagte Schmidt. In der jüngsten Grabung entdeckte das Archäologen-Team, wie schon bei früheren Grabungen, weitere 90 Silogruben, in denen Vorräte gelagert wurden, sowie „Unmengen von Keramik“, so Schmidt. Er zeigte Teile eines „Feuerbocks“, auf den man einen Topf aufs Feuer setzte. Große Vorratsgefäße mit aufwendigen Verzierungen stammen wohl aus noch früherer Zeit. Auch Metallgegenstände wie Schmucknadeln und Fibeln aus der Zeit ab 900 vor Christus und jünger präsentierte er.

Überregional Handel betrieben

Besonders interessant für die Wissenschaftler sind Spuren von Pfosten im Boden, von denen auf die Häuser der Kelten geschlossen werden kann. „Wie viele Siedlungen hier tatsächlich über die Jahrhunderte bestanden, wird erst später in der wissenschaftlichen Aufarbeitung ausgewertet“, erklärte Sascha Schmidt. Das wertvollste Stück, auf das die Grabungsmitarbeiter stießen, war ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkender Stein mit einem Metallstück an einem Ende. Er ist das Gewicht einer vorrömischen Schnellwaage, mit der exakt auch kleine Mengen wie Gewürze oder Edelmetalle gewogen werden konnten. Ein solcher Fund sei selten und bedeute, dass hier überregional Handel betrieben wurde.

Die Ergebnisse in Renningen seien ein Beweis dafür, dass es auch auf dem platten Land bedeutende keltische Siedlungen mit außergewöhnlichen Funden und Bedeutung über die Region hinaus gab, sagte der Wissenschaftler. Zwei Siedlungsepochen treten dabei hervor: die frühkeltische Zeit vom achten bis vierten vorchristlichen Jahrhundert, aus der Eisenbarren, Teile einer Pflugschar und das Gewicht gefunden wurden, sowie die spätkeltische Zeit im zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhundert mit ihren herausragenden Holzfunden.

In diese späte La-Tène-Zeit wird die offene, unbefestigte Siedlung mit etwa 17 bis 19 Gebäuden datiert, was fünf Hofstellen mit jeweils 20 bis 30 Menschen entspricht. „Wir haben aber bei keiner der Grabungen das Ende der Siedlung erreicht“, erklärte Schmidt. Angenommen, sie habe sich noch etwas weiter ausgedehnt, könne man von 300 bis 500 Menschen dort ausgehen. Das sei zwar noch keine Stadt, aber eine große Siedlung.