Durch Verzicht auf Essen und Trinken haben Flüchtlinge in München Asyl erzwingen wollen. Doch weil sich die Staatsregierung nicht erpressen lassen wollte und Verhandlungen ohne Erfolg geblieben sind, hat die Polizei das Protest-Camp geräumt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Alois Glück, der ehemalige bayerische Landtagspräsident, und Hans-Jochen Vogel, der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt München, hatten einen letzten Versuch zur Deeskalation unternommen. Noch in der Nacht auf Sonntag führten sie Gespräche mit den Vertretern jener 50 Flüchtlinge, die seit dem vorvergangenen Wochenende auf dem Münchner Rindermarkt gleich hinter dem Marienplatz campierten und seit Dienstag in einen Hunger- und Durststreik getreten waren, um als politisch Verfolgte anerkannt zu werden. Doch weder Glück noch Vogel wurden in ihrer Rolle als Vermittler von den Protestierenden wirklich akzeptiert, da sie ohne ein konkretes Angebot gekommen waren.

 

Um fünf Uhr früh am Sonntagmorgen umstellten zunächst Einsatzkräfte der Polizei das Lager, nachdem die Münchner Stadtverwaltung angeordnet hatte, die Zelte räumen zu lassen. Insgesamt 44 Patienten wurden mit Hilfe des Rettungsdienstes auf verschiedene Münchner Krankenhäuser verteilt, und „es war ein schwieriger Einsatz“, wie der Sprecher der Stadt, Stefan Hauf, sagte. Fast alle Patienten schwebten, laut Auskunft der Ärzte vor Ort, in akuter Lebensgefahr. Es hatte einen Herzinfarkt gegeben. Mehrere Flüchtlinge waren ohnmächtig geworden. Dennoch gab es Sitzblockaden von Sympathisanten, die einen schnelleren Ablauf der Räumung verzögerten.

Oberbürgermeister Ude sieht eine Kommandostruktur

Vor der Aktion hatte der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) keinen Zweifel daran gelassen, dass der unter der Woche gemeinsam von Stadt und Staatsregierung gebildete Krisenrat nicht zulassen werde, dass es Tote gebe. Seehofer und Ude – die sich als Spitzenkandidaten beide bereits im Landtagswahlkampf gegeneinander befinden – hatten am Samstagabend noch einmal ihre gemeinsame Linie besprochen und bekräftigt, dabei bleiben zu wollen. Die Stadt München betonte nach der Räumungsaktion, dass sie rechtliche Schritte gegen jene Unterstützer einleite, die zuletzt sogar den Ärzten den Zutritt zu den Zelten hätten verwehren wollten. Bereits kurz nach Beginn der Aktion hatte Christian Ude festgestellt, es gebe zwischen den Menschen im Hungerstreik und deren Sprecher eine „Kommandostruktur“, die er für verwerflich halte.

Die Flüchtlinge stammten größtenteils aus dem Iran, Afghanistan, Äthiopien, Syrien und Sierra Leone. Sie protestierten auf dem Rindermarkt gegen die Art der Unterbringung, gegen verordnete Essenspakete und die Residenzpflicht. In München veröffentlichten sie einen Brief, der an die Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet worden war. Darin wurde vor allem ehemaliger „Kolonialismus“ angeprangert, der in ihren Heimatländern zu verheerenden Zuständen geführt habe. Vor diesem Hintergrund sprachen die Flüchtlinge der Bundesregierung das Recht ab, über ihre Fluchtgründe zu Gericht zu sitzen. Gemäß Artikel 16 a des Grundgesetzes seien sie allesamt als politisch Verfolgte anzuerkennen. Anders als die Münchner SPD zeigten sich die Grünen – der Koalitionspartner in der Stadtratsfraktion – mit diesen Zielen weitgehend solidarisch. Sie übten heftige Kritik an der Asylwerberpolitik Bayerns: die Flüchtlinge seien „Geiseln der Staatsregierung und der CSU“ gewesen, sagte der Fraktionschef Gülseren Demirel.

Hungerstreik mit der RAF-Aktion verglichen

Demgegenüber hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), den Hunger- und Durststreik auf dem Münchner Rindermarkt heftig kritisiert, während dessen Verlauf behauptet wurde, es könnten sich „Bobby Sands (von der nordirischen Untergrundbewegung IRA) und Holger Meins (Mitglied der RAF) auf den Straßen Münchens“ wiederholen. Angespielt wurde damit auf den Hungertod der beiden Terroristen. Hermann betonte, dass jeder, der Asyl beantrage, ein Recht auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren habe. Allerdings könne durch Hungerstreiks der Rechtsstaat nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. Mehrere Flüchtlinge waren erst vor ein paar Wochen nach Deutschland eingereist. Zwölf Asylbewerber unter den Hungernden waren bereits von den Behörden anerkannt worden.