Unser Autor isst gerne Fleisch. Seine Tochter verzichtet komplett darauf. Also kocht er vegetarisch – und stellt fest, dass sie auch sonst nicht sehr viel Gekochtes mag.

Lokales: Alexander Ikrat (aik)

Endlich mal wieder eine schöne Schweinesülze mit Bratkartoffeln! Oder ein Pfannengyros mit Zaziki, gerne auch vom Huhn! Das wär’s jetzt! Können wir zur Tat schreiten? Schnell kehrt der Mann mit den leckeren Geistesblitzen zurück zur Realität. Seine Tochter isst seit fast zwei Jahren kein Fleisch mehr. Sie hat sich anderen Vegetarierinnen in ihrer nächsten Umgebung angeschlossen.

 

Kein Problem. Eine vegetarische oder vegane Lebensweise wird schließlich meist aus guten Gründen ergriffen. Etwa, weil die Betreffenden etwas gegen den Klimawandel tun wollen und sich für Lebensmittel entscheiden, deren Herstellung weniger Treibhausgas verlangen als ein Schweineschnitzel oder ein Rindersteak. In der Umgebung dieser Familie geht es mehr noch um das Tierwohl. „Ich esse grundsätzlich nichts, das mal ein Gesicht hatte“, bekommt man da zum Beispiel zu hören. Solche plakativen Sprüche hört man von der 14-Jährigen nicht. Sie ist ein (aber nur diesbezüglich!) stiller Teil der Bewegung.

Man muss Gewohnheiten ändern, um Gehirn in Schuss zu halten

Der Vater anerkennt die hohen Ziele, schon allein, weil man auch im fortgeschrittenen Alter immer mal wieder seine Gewohnheiten ändern soll, um das Gehirn in Schuss zu halten. Das Problem ist, dass es nicht nur ums Essen geht – dieses muss ja auch vorbereitet werden. Und dabei kann man von jemand, der mitten in der Pubertät steckt, dessen Synapsen sich gerade neu sortieren, nicht allzu große Unterstützung erwarten. Zu vielfältig und immer auch sehr dominant sind die Gedanken, die da jeweils durchs junge Gehirn schießen.

Weil es ihm nicht richtig vorkommt, eine Jugendliche schon mit 14 ihrem Schicksal zu überlassen und der Vater aber keinen Plan von vegetarischer Küche hat, erscheinen ihm die für lecker klingende Gerichte zusammengestellten Zutatentüten eines aufstrebenden Lebensmittelversandanbieters die richtige Lösung. „Japanische Sakura Bowl mit pinkem Reis“, „Tacos mit Filetstücken und Sriracha“, „Indische Kichererbsen-Kokos-Suppe“: Das klingt, als müsste man damit eine von der bunten Tik-Tok-Welt inspirierte Jugendliche hinter dem Handy hervorlocken können.

Herausforderung vegetarische Küche jenseits von Backofenkäse

Doch der Teufel steckt wie immer im Detail. Die rote Beete, deren Wasser den Reis pink macht, stößt ebenso wenig auf Begeisterung wie die Edamame-Beilage, weil Bohnen generell nicht gehen. Die indische Suppe kommt auch nicht infrage, weil: „ Ich habe schon tausendmal gesagt, dass ich keine Kichererbsen mag!“ Das betrifft auch den leckeren Hummusstampf, der Tage später mit dem gar nicht bestellten israelischen Rindfleisch-Hamshuka mitgeliefert wird.

Bleiben die Tacos mit den Huhn-ähnlichen Stücken aus Soja und Weizen in scharfer Soße, Paprika und Salat, die einzig als Ganzes gegessen werden. Aber jeden Tag Tacos!? Ganz schön schwierig, eine vegetarische Küche jenseits von Backofenkäse und Bratkartoffeln mit Spiegelei aufzustellen. Zum Glück isst sie jede Art von Obst.

Als guter Vater darf man nicht den Kopf in den Sand stecken. Heute abend hat die Tochter was vor und isst auswärts. Da ist Zeit, die Kochstrategie zu überdenken. Vielleicht bei einer schönen Schweinesülze im Gasthaus.

>> Keinen Familien-Newsletter mehr verpassen – hier geht es zur Anmeldung

Alexander Ikrat hat auf (fast) alle Herausforderungen in der Zeitungsproduktion eine Antwort. In der Beziehung zu seinen beiden Töchtern ist er allerdings nicht mehr gefragt – dank der Pubertät.