Die Corona-Pandemie trifft vor allem die Jugend knüppelhart. Unser Autor ist beeindruckt, mit welcher Einsicht sich die meisten jungen Menschen an die Regeln halten, so schwer es ihnen auch fallen mag.

Stuttgart - Neulich hat mein Sportjournalistenkollege Frank Nägele vom „Kölner Stadtanzeiger“ eine viel beachtete Kolumne geschrieben, sie trug die Überschrift: „Wir hätten das nicht hinbekommen“. Sie handelte von seiner Jugend in den 70ern, von politischen Happenings und ausschweifenden Partys und davon, dass seine Generation es sich nicht so einfach hätte gefallen lassen, womit sich die heutige Jugend in Corona-Zeiten arrangieren musste: keine Feiern, kein Sport, kein Ausgehen, noch nicht einmal Schule oder Uni als Plattform des sozialen Lebens. Sein Fazit: „Ich glaube, wir werden uns ganz am Ende dieser globalen Krise bei den jungen Generationen dafür bedanken müssen, dass sie sich von der Pandemie ein Jahr ihrer Jugend haben stehlen lassen und dabei so einsichtig geblieben sind.“

 

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Klar, früher hat es noch kein Smartphone gegeben, mit denen man sich die Zeit hätten vertreiben und den Kontakt zur Außenwelt hätte halten können. Und was sollen die noch älteren Generation sagen, die den Krieg erlebt haben? Trotzdem könnte auch meine Hochachtung nicht größer sein, wie die jungen Menschen damit umgehen, seit Monaten all das nicht tun zu dürfen, was junge Menschen am liebsten machen.

Unsere älteste Tochter ist 16, sie würde gerne das Ausgehen entdecken und vielleicht sogar ihren ersten Freund kennenlernen, sie würde gerne die Nachmittage in der Stadt verbringen und abends auf dem Marienplatz sitzen und Cola trinken, womöglich sogar ein Piccolöchen. Stattdessen starrt sie morgens beim digitalen Fernunterricht in den Computer, sofern nicht wieder mal Moodle zusammenbricht. Und ihr gesellschaftlicher Höhepunkt der vergangenen Monate bestand darin, dass sie den 16. Geburtstag ihrer besten Freundin in deren Kinderzimmer gefeiert hat. Sie war der einzige Gast.

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Es mögen aus der Sicht vieler Erwachsener Luxusprobleme sein, für die jungen Leute sind sie existenziell. Der Sohn eines Freundes hat im vergangenen Sommer Abitur gemacht – und anschließend Däumchen gedreht. Sehr lebhaft kann ich mich noch daran erinnern, wie ich damals wochenlang von Feier zu Feier gezogen bin und mich danach mit Freunden auf eine mehrwöchige Reise nach Südeuropa begeben und weitergefeiert habe.

Heute ist nicht mal eine richtige Abiturfeier möglich. Und storniert sind alle Klassenfahrten, Interrail-Touren, Work & Travel-Reisen und sonstigen Aktivitäten. Die Tochter eines anderen Freundes, die in diesem Sommer Abitur machen wollte, spielt mit dem Gedanken, die zwölfte Klasse freiwillig zu wiederholen. Ihren 18. Geburtstag hat sie neulich mit Luftballons und ihren Eltern gefeiert.

Ich kann mich daher nur meinem Kollegen aus Köln anschließen - und möchte mich bei der Jugend schon jetzt ganz herzlich für die Einsicht bedanken.

Marko Schumacher (49) ist Sportredakteur und Vater von vier Kindern. Früher ist er oft und gerne ausgegangen – jetzt kann zumindest er die vorübergehende Schließung der Gastronomie verschmerzen.