Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche stiehlt Roland Bernhard allen Politikern die Show – mitten im Landtagswahlkampf. Das lässt nicht jeder auf sich sitzen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Als süß und naiv werden Frauen gerne beschrieben. Diese diskriminierenden Adjektive passen diese Woche leider allzu gut auf Sabine Kurtz. Die CDU-Landtagsabgeordnete versucht – wie alle Politiker – in die Schlagzeilen zu kommen. „CDU will Kosten der Meisterausbildung abschaffen“, lautet ihr jüngster Versuch. An dem Plan gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Verglichen mit den Maßstäben, die Roland Bernhard derzeit setzt, lässt sich damit allerdings garantiert keine Aufmerksamkeit generieren. Der Landrat besiegt schließlich im Alleingang das Coronavirus – und zwar bundesweit.

 

Zeitstrahl zum Jahrestag der Pandemie

Zum Jahrestag der Pandemie hat das Landratsamt diese Woche einen Zeitstrahl veröffentlicht. Er beginnt mit der ersten Covid-Infektion im Kreis Böblingen am 27. Februar 2020. „Bereits einen Tag darauf ist die Corona-Hotline eingerichtet“, lautet der nächste Satz. Damit ist klar: Die Schlagzahl im Landratsamt war von Anfang an hoch. Während Toilettenpapier zum Luxusgut geworden sei, „geht der Landkreis in den Krisenmodus“, heißt es weiter – „Verwaltungs- und Führungsstab tagen täglich“. Einer der Beschlüsse ist die Einführung der Maskenpflicht auf den Wertstoffhöfen Anfang Mai, was aber noch nicht für allzu große Aufmerksamkeit sorgt. Trotzdem steigen die Zahlen auch im Kreis Böblingen erst einmal an, „am 9. November ist die bis dato höchste Inzidenz mit 190 erreicht“, ist einer der Punkte. Erst im Februar gibt es richtig gute Nachrichten: Weil es momentan vier Wochen lang für alle Kreisbewohner kostenlose Schnelltests gibt, trat der parteilose Landrat in der Talkrunde von Markus Lanz auf. „Das Böblinger Modell ist in der Tagesschau die erste Meldung“, nannte das Landratsamt noch als weiteren Meilenstein im vergangenen Corona-Jahr.

Dass Roland Bernhard mitten im Landtagswahlkampf allen die Show stiehlt, ist nicht fair. In seiner Position (seit 2008) musste er sich schließlich nie dem Volk zur Abstimmung stellen, womit sich sein Hang, sich bei zahlreichen Gelegenheiten als alleiniger Corona-Bezwinger zu präsentieren, vielleicht erklären lässt. Hans-Dieter Scheerer hat diese Einzelkämpfer-Taktik nun ebenfalls aufgegriffen. Der FDP-Kandidat im Wahlkreis Herrenberg/Leonberg will zwar nicht das Coronavirus schlagen, aber die Corona-Verordnung. Der „Anwalt für die Freiheit“, wie er sich auf seinen Plakaten nennt, findet, dass sie „zu sehr in die Bürgerrechte eingreift“. Seiner Ansicht nach sollen Sportstätten wie Fitnessstudios wieder öffnen dürfen. Hans-Dieter Scheerer ist vor den Verwaltungsgerichtshof gezogen, weil er sich Sorgen um die Gesundheit seiner Mitmenschen macht. „Ich kenne mehrere Personen, die durch sportliche Aktivitäten im Freien bei Glätte zum Teil schwere Verletzungen erlitten haben“, erklärt er seine Initiative. Dennoch wird der FDPler es damit nicht bis ins ZDF schaffen.

Der eigentliche Erfinder des Böblinger Modells

Die Stadt Böblingen, die mit ihrem eigenen Böblinger Modell namens Böblinger Pilotprojekt mindestens so groß herauskommen wollte wie der Landrat, versucht es deshalb diese Woche mit einer anderen Taktik. Der Oberbürgermeister Stefan Belz gibt extra eine Pressekonferenz, um die „Corona-Selbsttests für unser Kita-Personal“ noch einmal vorzustellen. In Böblingen und dem Kreis seien umfangreiche Maßnahmen in diesem Bereich gestartet, erklärt die Verwaltung dazu. Dass sich städtische Mitarbeiter bereits seit Ende Januar zwei Mal in der Woche kostenlos auf Corona testen lassen können, wird in der Einladung betont. „Dies hat sich gut etabliert, sodass auch der Landkreis das Projekt aufgelegt hat“, schreibt die Stadt – und stellt damit klar, wer wirklich der Erfinder des medialen Böblinger Erfolgsmodells ist.