Die Ukraine-Krise und der Umgang mit Russlands Präsident Putin haben auch die Feierlichkeiten zum D-Day bestimmt. Europa muss zu einem neuen, härteren Umgang mit Russland finden, kommentiert der StZ-Redakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Nie wieder Krieg! Das ist die Botschaft bei den Feierlichkeiten zum D-Day. In der Normandie haben die westlichen Demokratien vor 70 Jahren Schulter an Schulter die letzte Etappe im Sieg der Freiheit über die Unterdrückung eingeleitet. Sieger und Verlierer haben aus dem blutigen Gemetzel ihre Lektion gelernt: die Wiederholung eines solchen Flächenbrandes muss mit allen Mitteln verhindert werden. Zu diesem Gedenken gehört natürlich auch Russland. Aus diesem Grund war Wladimir Putin in Frankreich dabei. In Zeiten der Krise in der Ukraine ist seine Anwesenheit besonders wichtig. Am Strand von Ouistreham konnte der russische Präsident mit eigenen Augen sehen, wie hoch der Westen Grundwerte wie Freiheit und Demokratie schätzt. Die Staats- und Regierungschefs dürften ihm dies in ihren Gesprächen unter vier Augen auch noch einmal sehr deutlich gemacht haben.

 

Gehört hat Putin die Botschaft also, mehrfach und auch sehr deutlich. Doch hat er sie auch verstanden? Je länger Putin im Kreml herrscht, desto deutlicher wird, dass er seine ganz eigenen Ansichten hat zu Demokratie, Freiheitsrechten oder Rechtsstaatlichkeit. Zu lange hat der Westen vor dieser Tatsache die Augen verschlossen. Vor allem Deutschland schwelgt noch heute in Sachen Russland im Gefühl einer irgendwie gearteten Seelenverwandtschaft zweier Nationen, die sich etwa dem schnöden Materialismus der angelsächsischen Welt verweigern. Diese Einstellung vernebelt auch jetzt wieder viele Diskussionen über die Ukraine-Krise.

Ein grundlegendes Missverständnis

Schon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion basierte die deutsche Russlandpolitik auf einem grundlegenden Missverständnis. Visionen einer zukünftigen Partnerschaft wurden skizziert, die durch die Realität allerdings schnell konterkariert wurden. Im Westen hoffte man, dass sich Russland nach einem zügigen Umbau des alten Systems in den Kreis der liberal-demokratischen Staaten einordnet und in einen europäisch-transatlantischen Verbund aufgenommen wird. Das war aber nicht der Weg, den Russland einschlug. Die Partnerschaft, die Moskau mit dem Westen anstrebte, war eine pragmatische Interessengemeinschaft – keine Wertegemeinschaft. In die Realpolitik übersetzt heißt das: Russland versteht sich als Energielieferant, der umgekehrt von Europa keine Belehrungen in Sachen Demokratie und Menschenrechte will.

Die Ukraine-Krise ist nun ein Punkt, an dem sich vor allem der Westen grundsätzlich klar darüber werden muss, wie er in Zukunft mit Russland zusammenarbeiten will. Lässt er zu, dass Putin mit der Annexion der Krim und dem Zündeln in der Ukraine nicht nur gültige Verträge bricht und die ureigenen Werte Europas mit Füßen tritt, sondern auch die Axt an die europäische Friedensordnung legt?

Europa und die USA müssen ihre Macht einsetzen

Realpolitisch gesehen ist das im Moment der konfliktfreiere Weg. Doch die Geschichte Europas zeigt, dass auf lange Sicht nur stabile und funktionierende Demokratien in der Lage sind, friedlich und harmonisch nebeneinander zu bestehen. Deshalb liegt es im ureigensten Interesse Europas, Russland an dieser entscheidenden Wegmarke Einhalt zu gebieten. Zur Lösung der Ukraine-Krise gehört deshalb ein Forderungskatalog mit einem festen Zeitplan und klar formulierten Strafmaßnahmen, sollte sich Moskau widersetzen. Europa und die USA müssen dazu ihre gesamte wirtschaftliche Macht einsetzen.

Das ist die kurzfristige Aufgabe. Langfristig muss Moskau klargemacht werden, dass auch seine eigene, von Interessen geleitete Politik nur dann funktioniert, wenn der Westen auf Berechenbarkeit, Transparenz und Effizienz trifft. Das gilt für die Wirtschaft ebenso wie für die Politik, denn eines Tages wird auch Wladimir Putin abdanken – dann muss Russland das System Putin überwunden haben.