Der bayerische Ministerpräsident Seehofer sagt Baden-Württemberg den Kampf an. Finanzminister Stächele nennt die Attacke "rotzfrech".

München/Stuttgart - Nach dem Machtwechsel in Baden-Württemberg hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die als Südschiene bekanntgewordene Zusammenarbeit der beiden Bundesländer aufgekündigt. „Bisher hatten wir einen Wettstreit innerhalb gleicher Grundüberzeugungen. Jetzt führen wir einen Wettbewerb unter anderen Vorzeichen. Wir haben nun einen Wettbewerb der Systeme“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“. Dies betreffe vor allem die Bildungs- und Hochschulpolitik des schwarz-gelb regierten Freistaats und des in Zukunft grün-rot regierten Nachbarlandes.

 

Während Bayern am dreigliedrigen Schulsystem und den Studiengebühren festhält, steht Baden-Württemberg der Gemeinschaftsschule offen gegenüber und will die Gebühren an den Hochschulen abschaffen. „Ich kenne keine Beispiele, wo die Gemeinschaftsschule bessere Ergebnisse zeigt“, sagte Seehofer der „SZ“. Auch die Abschaffung der Studiengebühren solle kein Vorbild für den Freistaat sein. „Ich will den Beweis antreten, dass wir in Bayern bessere Ergebnisse erzielen“, betonte der Ministerpräsident.

Dobrindt: Kretschmann ist "Fehlbesetzung"

„Ich bin von unserem System überzeugt.“ Mit Blick auf die Kritik des designierten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an der Autoindustrie sagte Seehofer: „Das war ein Fehler.“ Kretschmann hatte in einem Interview gefordert, dass die deutschen Autobauer künftig weniger und umweltfreundlichere Fahrzeuge herstellen sollten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete den Grünen-Politiker in einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ zudem als „Fehlbesetzung“ und warnte die Union vor Bündnissen mit den Grünen. „Wer in einem Autoland die Reduzierung der Autoproduktion propagiert, weckt Zweifel an seiner Kompetenz“, sagte er dem Blatt. Dobrindt rief baden-württembergische Unternehmen dazu auf, sich im Freistaat niederzulassen. „Jedes Unternehmen, das in Baden-Württemberg durch grün-rote Planwirtschaft verprellt wird, ist in Bayern hochwillkommen“, betonte er.

Bayern lehnt Atomendlager ab

Auch in Sachen Atompolitik scheint das Tischtuch der Südschiene zerschnitten: Die CSU widersetzt sich strikt allen Forderungen, auch in Bayern nach einem möglichen Standort für ein Atomendlager suchen zu lassen. „Bayern ist aus geologischen Gründen für einen Endlagerstandort nicht geeignet. Es wird keine Endlagersuche in Bayern geben“, sagte Dobrindt. Grün-Rot in Stuttgart hatte gefordert, dass es bundesweit eine Suche nach einem Endlager geben soll. Damit wäre auch der Bau eines Lagers in Baden-Württemberg möglich, was die CDU-geführten Vorgängerregierungen immer abgelehnt hatten.

Schmid wirft Seehofer Polemik vor

Der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid warf Seehofer „überholte Parteipolemik“ vor. „Das Kriegsgeschrei von Herrn Seehofer ist an Plattheit kaum mehr zu überbieten“, sagte er. Es nütze niemandem, schon gar nicht den Ländern Bayern und Baden-Württemberg. „Offenbar muss der bayrische Ministerpräsident einen Gegner bemühen, um sich selbst wichtig zu machen“, sagte Schmid und warnte, Seehofer solle nicht den gleichen Fehler machen wie Mappus. „Die alten Schreckgespenster der Union haben einen Bart von München bis Stuttgart.“

Auch aus der Union kam Kritik. Der scheidende baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele (CDU) kritisierte Dobrindts Äußerungen als „stillos, um nicht zu sagen rotzfrech“. „Wer Baden-Württemberg schadet, kriegt auf die Hörner, auch wenn er CSU-Nachbar ist.“ Der Respekt vor dem Wähler gebiete einen anständigen Umgang mit dem designierten Ministerpräsidenten und der Zusammenarbeit der beiden Bundesländer. Stächele soll am 11. Mai zum baden-württembergischen Landtagspräsidenten gewählt werden. Er hat angekündigt, ein Vertreter für die Abgeordneten aller Fraktionen sein zu wollen.