Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) plant ein Förderprogramm, um Städten gegen Hitzestress und Wetterphänomene beizustehen.

Mainau - Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) will Städte und Gemeinden stärker in eine Strategie gegen die Folgen des Klimawandels einbinden. Wie Untersteller auf dem dritten Mainauer Nachhaltigkeitsdialog – einer Umwelttagung mit Experten, Bürgermeistern und Regierungsbeamten – erklärte, gehe es darum, die „Anpassungsstrategien“ zum Klimawandel in den Kommunen „in die Fläche zu bringen“. Bisher waren im Rahmen des seit 2011 laufenden und mit 7,5 Millionen Euro dotierten Anpassungsprogramms Klimopass nur Forschungsvorhaben zu bestimmten Themen gefördert worden. 77 Projekte gingen daraus bis jetzt hervor.

 

Frühestens im Herbst will das Untersteller-Ressort eine Vorlage herausbringen, mit der Kommunen, aber auch kleine und mittlere Unternehmen in ihren Anpassungskonzepten finanziell gefördert werden. Wie Svea Wiehe, die Klima-Referentin im Umweltministerium mitteilte, könnten auch Teilkonzepte gefördert werden, denn für Hochwasser- oder Starkregenmanagement gewähre der Bund bereits Unterstützungen: „Der Bedarf ist da, es geht jetzt darum, in die Umsetzung der Anpassungsstrategien zu gehen.“ Vor allem bei den Beratungen der Kommunen soll das geplante Programm – über dessen finanzielle Ausstattung noch nichts bekannt ist – greifen.

Temperatur stieg in Baden-Württemberg stärker als im weltweiten Durchschnitt

Dass der Klimawandel nicht nur im pazifischen Ozean versinkende Atolle betrifft, sondern auch den deutschen Südwesten, das ist längst bekannt. „Wetter ist nicht Klima“, sagte Volker Kienzlen, Geschäftsführer der Klimaschutzagentur des Landes: „Aber die Häufung von Wetterphänomenen ist auch Klima.“ Die unerwarteten Überflutung von Braunsbach – das nicht mal an einem Fluss liegt –, von Schwäbisch Gmünd und dem bayerischen Simsbach in 2016 wirken noch als Schock nach. Dass der Baubürgermeister von Schwäbisch Gmünd in Mainau den Bau von hochwassersicheren Häusern in Flusslagen forderte – „20 Jahre lang passiert da nichts, wieso soll ich da nicht bauen dürfen?“ – ist als Einzelmeinung abgetan worden. „Mit mir wird es keinen Bau von Häusern in Hochwasserrisikogebieten“, konterte Untersteller.

Der Minister hat auf der Tagung bilanziert, wie sich die Erderwärmung in Baden-Württemberg bemerkbar macht – „der Klimawandel ist Realität bei uns“. Weltweit betrachtet sei seit Beginn der Wetteraufzeichnungen die Durchschnittstemperatur um 0,85 Grad gestiegen (von 1880 bis 2012), in Baden-Württemberg aber habe sie um 1,3 Grad zugenommen (von 1880 bis 2015). Die Zahl der „Sommertage“ mit Temperaturen über 25 Grad habe um elf (oder 35 Prozent) zugenommen, wenn man die Zeiträume 1961 bis 1990 sowie 1981 bis 2010 vergleiche. Die der „heißen Tage“ mit über 30 Grad habe sich in den letzten 50 Jahren von fünf auf neun erhöht. Die Obstblüte erfolge früher – im Murgtal beispielsweise im letzten Vierteljahrhundert 13 Tage früher – was gravierende Folgen hat, wenn später im April noch Frost einsetzt, was in diesem Jahr geschehen ist.

Nur ein Touristenmanager freut sich, auf Gäste zur Sommerfrische in den Bergen

Landwirtschaft, Tourismus und die Kommunen müssen mit dem Klimawandel leben. Städte beispielsweise müssen fragen, wie sich ihre „Hitzeinseln“ auf die ältere Bevölkerung auswirken. „Wir brauchen Szenarien der Stadtentwicklung. Wir müssen schauen, wie verwundbar und anpassungsfähig sind unsere Systeme – auch bei extremen Wetterereignissen“, sagte Jörn Birkmann von der Uni Stuttgart. Die Städteplaner müssen dabei viele Interessen unter einen Hut bringen: Gewünscht wird zur Schaffung von Wohnraum oft eine Nachverdichtung von Stadtvierteln, was kühlendem Grün im Wege steht. Er sei auch für den Lärmschutz zuständig, sagte Raino Winkler vom Umweltamt der Stadt Heidelberg. Aber bei der Konversion einer US-Militärfläche (Hospital) habe er den Lärm abriegelnde Wohnblöcke aufgebrochen – zugunsten von Frischluftschneisen.

Der Klimawandel hat nicht nur Nachteile: Markus Niedermair von der Landesverwaltung Vorarlberg setzt künftig auf „Ganzjahrestourismus“: In der heißen Jahreszeit werde es die Städter vermehrt in die Berge ziehen – zur Sommerfrische.