Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands organisiert die Nato das größte Manöver seit Jahrzehnten. Wo findet es statt? Und wie beteiligt sich Deutschland?

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Es soll die größte Kriegsübung seit dem Ende des kalten Krieges werden. Am Donnerstag hat die Nato bekannt gegeben, dass sie für ein Großmanöver rund 90 000 Soldaten mobilisieren wird. Ziel ist es Russland abzuschrecken. Die Übung soll rund vier Monate dauern; sie trägt den Namen „Steadfast Defender“, was ins Deutsche übersetzt etwa „Standhafter Verteidiger“ bedeutet. Die Ankündigung kommt gut vier Wochen vor dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar.

 

Es werde die größte Aktion dieser Art seit Jahrzehnten, erklärte der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, Christopher Cavoli, am Donnerstag nach einem Treffen des Nato-Militärausschusses in Brüssel. Vorbereitungen für die Manöver sollen nach Angaben des US-Generals bereits in der kommenden Woche beginnen. Der eigentliche Start ist dann für Februar vorgesehen. Trainiert werden soll dabei insbesondere die Alarmierung und Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften.

Welches Szenario wird geübt?

Szenario der Übung ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein russischer Angriff auf alliiertes Territorium, der zum Ausrufen des sogenannten Bündnisfalls nach Artikel 5 des Nato-Vertrags führt. Letzterer regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird.

In welchen Ländern findet das Manöver statt?

Die Nato-Mitglieder im Baltikum (Litauen, Lettland, Estland) gehören zu den Staaten, die sich wegen ihrer Lage besonders bedroht von Russland fühlen. Menschen dort befürchten, dass ihnen eines Tages ein ähnliches Schicksal drohen könnte wie den Menschen in der Ukraine, die mittlerweile seit fast zwei Jahren mit einem russischen Angriffskrieg konfrontiert sind.

Cavoli sagte am Donnerstag, die Übung werde ein klarer Beleg für den Zusammenhalt, die Stärke und die Entschlossenheit des Bündnisses zum gegenseitigen Schutz sein. Auf diesen Ländern sowie der Ostflanke der Nato dürfte also der Fokus liegen.

Der Übungsraum bei Steadfast Defender erstreckt sich entlang einer Linie von Norwegen bis hin in zu Länder wie Rumänien. Entlang dieser liegen liegen noch Polen, die Slowakei und Ungarn. Auch der Beitrittskandidat Schweden wird an der Übung teilnehmen. Zudem wird es nach Bundeswehrangaben einen maritimen Übungsanteil mit Verlegung von Kräften aus Nordamerika nach Europa geben.

Nimmt Deutschland an dem Manöver teil?

Ja. An der Militärübung beteiligen sich alle 31 Bündnisländer und der Beitrittsanwärter Schweden. Die Bundeswehr wird sich nach eigenen Angaben unter anderem mit einem vierstufigen Großmanöver mit dem Namen Quadriga 2024 beteiligen. Bei ihm sollen bis Ende Mai mehr als 12 000 Soldaten im Einsatz sein und insbesondere Fähigkeiten zur schnellen Verlegung von Kräften an die Nato-Ostflanke trainieren.

Von Mitte Mai an wird beispielsweise die 10. Panzerdivision auf verschiedenen Wegen Soldaten mit Gefechtsfahrzeugen nach Litauen verlegen und dort in einem Gefecht ihre Fähigkeit zum Kampf zeigen. Das dürfte auch auf deutschen Autobahnen und in der Luft für die Zivilbevölkerung zu sehen sein.

Insgesamt sollen an der Übung neben den rund 90 000 Soldaten auch mehr als 1000 Gefechtsfahrzeuge sowie Dutzende Kampfflugzeuge und Marineeinheiten teilnehmen. Konkret nennen Militärs unter anderem Panzer, Flugzeugträger sowie Jets vom Typ F-35.

Neben Deutschland stellt auch Großbritannien viele Soldatinnen und Soldaten. Das Kontingent, das London ankündigte, ist rund 20 000 Männer und Frauen groß. Es handle sich um See-, Luft- und Landstreitkräfte.

Wann waren die letzten großen Übungen?

Die bislang größte Nato-Übung seit dem Ende des Kalten Krieges war 2018 mit Schwerpunkt in Norwegen organisiert worden. An ihr waren rund 51 000 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Die letzten Nato-Manöver, die größer waren als die nun geplante Übung, fanden vor der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 statt.

Damals gab es unter anderem noch die Manöverreihe „Return of Forces to Germany“ (Rückkehr von Streitkräften nach Deutschland). An ihr waren 1988 beispielsweise rund 125 000 Soldaten beteiligt.