Grünen Fraktionschefin Göring-Eckardt plädiert für einen Bundeswehreinsatz in Syrien. In ihrer Partei regt sich fast niemand auf. Auch bei der Linken werden Stimmen laut, die eine militärische Unterstützung fordern.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Was kann Deutschland tun, um den Menschen in Kobane zu helfen? Die Bundesregierung hält sich in dieser Frage mit öffentlichen Äußerungen merklich zurück. So hat sich unter der Oberfläche Unmut breitgemacht: Auch Vertreter der Koalitionspartner mahnen die Regierung, wenigstens den Druck auf die Türkei zu verstärken. Laue Ermahnungen, etwa der Kanzlerin in Richtung Ankara, werden nicht mehr akzeptiert. Nun gibt es hinter verschlossenen Türen zwar Planspiele für ein verstärktes militärisches Engagement zur Unterstützung der Kurden – aber nur mit Blick auf die Peschmerga im Nordirak, nicht in Syrien.

 

Ausgerechnet die Grünen haben nun das öffentliche Schweigen durchbrochen und Schwung in die Debatte gebracht: Ihre Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt setzt sich für ein Bundeswehrmandat im Rahmen einer UN-Mission ein. Deutschland müsse gegebenenfalls bereit sein, sich mit Bodentruppen an einem Einsatz zu beteiligen. Der IS sei „nur militärisch zu bekämpfen“, sagte sie. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte diese Vorstellung prompt weltfremd. Es sei klar, dass es ein solches Uno-Mandat im Sicherheitsrat nicht geben werde. Zudem wolle die Regierung keine Bodentruppen entsenden. Steinmeier setzt weiterhin auf die Karte Diplomatie – derzeit im Nahen Osten.

Kaum Widerspruch, kaum Zustimmung

Der Vorstoß Göring-Eckardts bedeutet keine Zäsur, sondern setzt die Linie der Grünen zur militärischen Bewältigung internationaler Konflikte konsequent fort. Schon vor zwei Monaten hatte sich Parteichef Cem Özdemir für die Bewaffnung der Kurden ausgesprochen, die sich „nicht mit der Yogamatte unterm Arm“ der IS-Milizen erwehren könnten. So erregt die Offensive der Fraktionschefin – die von 2009 bis September 2013 immerhin Präsidentin der Synode der Evangelischen Kirche (EKD) war – in den eigenen Reihen offenbar nur wenige. Zwar tobt auf ihrer Facebook-Seite eine rege Debatte. Darüber hinaus erntet sie jedoch wenig Widerspruch – wenngleich auch kaum öffentliche Zustimmung. Nur Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Grünen, sprang ihr deutlich zur Seite: Göring-Eckardt gebe die Beschlusslage der Fraktion wieder.

Die Grünen haben einen langen Weg hinter sich von der Friedenspartei zur Partei des militärischen Pragmatismus. Eingeleitet hatte diesen Kurs der damalige Außenminister Joschka Fischer, der die Grünen mit Bundeswehreinsätzen im Kosovo und in Afghanistan auf Kriegskurs gebracht hatte – wofür er 1999 beim Sonderparteitag in Bielefeld mit einem Farbbeutel beworfen wurde. Heute hält nur noch ein Häuflein von Pazifisten in der Partei die Stellung. Die Theologin Antje Vollmer, bis 2005 Bundestags-Vizepräsidentin, zürnt aktuell über die Yoga-Matten-Logik: „Solche Witzelei ist in der Partei, die ohne die Friedensbewegung nie entstanden wäre, schon an sich eine Schändung von Geist und Mythos ihrer Gründergeneration.“ Dennoch rege sich kaum jemand darüber auf. „Der Pazifismus scheint rückstandsfrei abgewickelt und ins Reich der Träume aus der Jugendzeit der Bundesrepublik verbannt.“ Tom Koenigs, der menschenrechtspolitische Sprecher, findet derlei Kritik überzogen: Er stimme Göring-Eckardt „völlig zu, dass man auf die UN zugehen soll und dieses Instrument des Friedenschaffens viel stärker in die Debatte bringen muss als Koalitionen der Willigen“, sagte er. Ansonsten sehe er „bei der gegenwärtigen Konfliktlage keine Rolle für die Bundeswehr“.

Auch Teile der Linken für militärische Unterstützung

Der Wandel der Grünen wird auch als Annäherung an die Union interpretiert, folgt aber einer langfristigen Strategie. Für die Konkurrenz in der Opposition ist er eine Einladung: Die Führung der Linken bemüht sich, ihre Partei als letzte Bastion des Pazifismus im Bundestag zu positionieren – was immer schwerer fällt. So hat ein Fünftel ihrer Bundestagsabgeordneten einen Aufruf mit dem Titel „Kobane retten!“ unterzeichnet. Eine „militärische Unterstützung der Kurden ist unumgänglich“, heißt es darin. Der UN-Sicherheitsrat müsse die notwendigen Maßnahmen beschließen. Zuvor hatte Fraktionschef Gregor Gysi Waffenexporte an die kurdischen Kämpfer befürwortet. Beide Vorstöße lösten intern massive Proteste aus. So lässt eine Neuorientierung dieser Friedenspartei auf sich warten.