Ein Baggerfahrer in Stuttgart-Kaltental platziert das Wort Führerhaus auf sein Fahrerhaus – in Frakturschrift. Fälle wie diese gibt es in Deutschland zuhauf. Kritisiert wird eine Verbindung zum Nationalsozialismus.

Digital Desk: Sebastian Xanke (xan)

Kaltental - Ein Scherz soll es gewesen sein, der Schriftzug am Fahrerhaus eines Baggers an der Kaltentaler Schlossbergstraße. In Frakturschrift war dort noch bis vor Kurzem das Wort „Führerhaus“ zu lesen – eine unweigerliche Verbindung des Wortes in dem Stil mit dem Nationalsozialismus blieb bei einigen Passanten nicht aus (wir berichteten). Den jungen Baggerfahrer, der für die Aufschrift verantwortlich ist, hat sein Chef der Baufirma Binder aus Remseck mittlerweile über die Ernsthaftigkeit der Sache unterrichtet.

 

Doch es ist kein Einzelfall. In ganz Deutschland kommen seit Jahren Fahrer, unter anderem von Baustellenfahrzeugen, auf ähnliche Ideen. Im Juli 2019 etwa wurde an einem Schwerlastzug in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) der Schriftzug „Führerhaus – Fahrer spricht Deutsch“ ebenfalls in Frakturschrift angebracht. Die Polizei befasste sich damals zusammen mit der Kriminalpolizei mit dem Fall.

Auf Nachfrage beim zuständigen Polizeipräsidium Reutlingen heißt es heute, bei dem Schriftzug habe es sich um keine Straftat gehandelt. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Der nicht polizeibekannte Fahrer habe sich „wahrscheinlich einen Scherz“ erlaubt. Schon wieder ein Scherz. Und wieder in Frakturschrift. Wer die Wörter Führerhaus und Frakturschrift zusammen in die Suchmaschine Google eingibt, stößt schnell auf Bilder mit rechtsextremen Inhalten. Dabei haben uns einige Leser zu Recht darauf hingewiesen, dass die Frakturschrift am 3. Januar 1941 von den Nazis verboten worden sei. Der inoffizielle Grund: Für Menschen in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten war die eigenwillige Schriftart nur schwer verständlich. Es musste eine einheitliche, gut lesbare Schrift her: die Antiqua-Schrift.

Frakturschrift von den Nazis verboten

Trotzdem taucht die Frakturschrift heutzutage immer wieder in der rechten Szene auf, einige Beispiele finden sich etwa im Bericht des Verfassungsschutzes zu Symbolen, Zeichen und verbotenen Organisationen. Exemplarisch lässt sich dabei das Logo des rechtsradikalen Netzwerks „Bloud and Honour“ herausstellen. Und auch der Berliner Verfassungsschutz schreibt in einem offiziellen Dokument: „Eine weitere heute mitunter in rechtsextremistischen Kreisen gebräuchliche Schriftform ist die Frakturschrift.“ Die Schrift selbst bleibt allerdings verbotsfrei. Aufkleber in dem altdeutschen Stil lassen sich bequem und ohne große Suche über Einkaufsportale wie Ebay oder Amazon finden.

Dennoch stellt sich die Frage, ob Menschen diesen angeblichen Scherz weiterführen wollen. Die anschließende Beteuerung, eine Verbindung zum Nationalsozialismus sei nicht gewollt oder nicht ernst gemeint gewesen, fällt zunehmend schwer zu glauben. Denn auch wenn historisch nicht korrekt, bleibt die Konnotation der Schrift aus Sicht vieler Menschen mit rechtsextremen Kreisen bestehen. Das haben die lebhaften Diskussionen in den sozialen Medien wie bei Facebook zum Bericht über den Baggerfahrer in Kaltental gezeigt.