Nun öffnet auch Google seinen neuen Dienst Google+ für Unternehmen und Organisationen, für Produkte und bestimmte Themen.

Stuttgart - Seit Kurzem erlaubt Google in seinem neuen sozialen Netzwerk Google+ nicht nur Profile für Personen, sondern auch für Unternehmen und Produkte. Zuvor wurden Google+-Profile, die keiner Person zuzuordnen waren, rigoros gesperrt. Google verfolgt dabei offensichtlich ein anderes Konzept als Facebook. Kritiker glauben, dies sei so, weil sich Google+ noch im Beta-Experimentierstadium befindet. Es könnte aber auch sein, dass Google ganz bewusst einen anderen Weg einschlägt.

 

Mit nur wenigen Handgriffen können Nutzer nun Seiten für Unternehmen und Organisationen, für Produkte und Marken, für Vereine und Gruppen einrichten. Bereits am ersten Tag stellten sich endkundenorientierte Unternehmen wie H&M, Sony und T-Mobile auf eigenen Seiten auf, aber auch zahlreiche Verlage, Fußballclubs und Fernsehshows wie die Muppets waren rasch am Start. Nicht nur Unternehmen und Organisationen können nun durchstarten. Privatpersonen können ebenfalls Seiten für Themen und Hobbys pflegen.

Wie auch bei den Personenprofilen können Nutzer ihre Kontakte in verschiedene Kommunikationskreise gruppieren. Google schlägt die Einrichtung von Kreisen für VIPs, Teammitglieder und Kunden vor - und suggeriert damit schon mögliche Anwendungsfälle: Die Kommunikation mit den Kunden, interne Teambesprechungen oder Exklusivinformationen für ganz besonders wichtige Personen.

Rechtlich gibt es einige Einschränkungen

Harsche Kritik an dem Seitenkonzept wurde schon am ersten Tag in der Social-Web-Szene laut, die vor allem die Features vermisst, die sie von Facebook her kennt: PR-Experte Nico Lumma stört sich daran, dass die Seiten "aus Markenperspektive einfach noch zu wenig können". So gibt es keine deskriptiven Internetadressen, sondern statt des Markennamens wird eine kryptische Zahlenfolge angezeigt. Mit einer solchen Webadresse lasse sich auf Produkten nicht werben. Als schwierig empfindet Lumma auch den Umstand, dass sich einmal, vielleicht aus Testgründen angelegte Seiten nicht mehr auf andere Personen übertragen ließen. Lumma sagt in Bezug auf den offiziellen Beta-Entwicklungsstatus von Google+: "Beta in allen Ehren, aber das ist Murks."

Social-Web-Berater Thomas Knüwer vermisst die Möglichkeit, dass Kunden auf der Google+-Seite eines Unternehmens wie auf der Facebook-Pinnwand einfach Notizen hinterlassen können. Sie können nur vom Unternehmen veröffentlichte Nachrichten mit themenfremden Inhalten kommentieren - oder eine Nachricht mit dem Unternehmen teilen, das nur das Unternehmen lesen kann.

Rechtlich gibt es ebenfalls einige Einschränkungen: So hält Google in den Nutzungsbedingungen fest, dass nur die Personen eine Seite betreiben dürfen, "die für den Gegenstand dieser Google+-Seite entsprechend vertretungsberechtigt sind." Zur Werbemaschine sollen die Google+-Seiten auch nicht werden. Denn Unternehmen dürfen "Wettbewerbe, Gewinnspiele, Angebote, Gutscheine und ähnliche Werbeaktionen" laut den Werberichtlinien von Google lediglich verlinken, aber nicht auf den Google+-Seiten selbst einbetten. Seiten, die dagegen verstoßen, will Google blockieren oder entfernen. Im Wiederholungsfall soll der Google-Account sogar komplett gesperrt werden.

Zuckerberg will sich an den Ausbau der Inhalte machen

Bei Facebook hingegen sind Wettbewerbe erlaubt. Sie müssen nur über eine Facebook-App laufen. Grund für diese restriktive Politik könnte sein, so spekuliert das Online-Magazin Techcrunch, dass Google noch nicht bereit ist mit Spam und möglichen Betrugsfällen umzugehen, wie es bei Wettbewerben schnell der Fall sein könnte. Es könnte auch sein, dass Google keine Wettbewerbe zulassen möchte, die mit dem "Plus"-Button arbeiten - etwa, indem eine Teilnahme am Wettbewerb nur möglich ist, wenn man den entsprechenden Beitrag mit einem Plus bewertet.

Möglich ist aber auch, dass Google diese Art von Unternehmens- und Produkt-PR per se ablehnt, sondern darauf setzt, dass Unternehmen in einen wirklichen Dialog mit ihren Kunden treten. Das findet nämlich beispielsweise auf Facebook bislang nur in seltenen Fällen statt. Derzeit wirbt Facebook-Chef Mark Zuckerberg an amerikanischen Eliteuniversitäten den Nachwuchs für sein Unternehmen ab. Nach fünf Jahren des Netzwerkausbaus, will er sich in den nächsten fünf Jahren an den Ausbau der Inhalte machen. Facebook will das digitale Leben der Nutzer möglichst komplett abbilden. In dieses neue Konzept passt auch das Vorhaben, sämtliche Aktivitäten des Nutzers auf einer Zeitleiste zu zeigen.

Allerdings könnte es gut sein, dass Google+ gar nicht so wie Facebook werden will. Denn Google+ eignet sich vor allem für das Teilen und Suchen von Inhalten. Thomas Knüwer glaubt denn auch, dass "Marken, Firmen und Dienstleister immer mehr zu Informationskuratoren, zu Filtern, zu Medien" werden. Die Nutzer produzieren damit nicht möglichst viele eigene Inhalte, sondern teilen Informationen gezielt mit ihren verschiedenen Kommunikationskreisen. Ob Unternehmen und Organisationen es dann schaffen, den Input ihrer Kunden so zu verarbeiten, dass das Feedback auch die Entwicklung ihrer Produkte und Inhalte beeinflusst, das bleibt abzuwarten. Die Suche nach den geteilten Inhalten klappt jedenfalls netzwerkübergreifend hervorragend - bei Facebook geht das bislang nicht. Sie ist damit der Hauptunterschied zwischen beiden Diensten.

Ob Google sich auch künftig dem Thema "Informationen finden" als Suchmaschine in ähnlicher Intensität widmen wird, ist nicht klar. Das berühmte Suchparameter "+" jedenfalls gibt es nicht mehr. Bisher konnte man es in der Google-Suche verwenden, um die Suche exakt auf den gewünschten Suchbegriff einzuengen und Ähnlichkeiten, die Google normalerweise ebenfalls anzeigt, auszuschließen. Es ist jetzt für Google+ reserviert. Stellt man es einem Suchwort voran, führt es nun direkt auf die entsprechende Google+-Seite, falls sie existiert. Ob diese Entscheidung ein gutes Zeichen für die weitere Entwicklung des Suchmaschinenkonzerns Google ist, ist fraglich.

Google versus Facebook

Mitglieder Zwar konnte der neue Dienst Google+ binnen 100 Tagen schon 40 Millionen Mitglieder gewinnen, doch Facebook kommt inzwischen auf mehr als 800 Millionen Nutzer. Facebook-Chef Mark Zuckerberg sieht die neueste Entwicklung von Google daher noch gelassen. In einem Fernsehinterview sagte er, dass Google gerade versuche „seine kleine Version von Facebook zu bauen“.

Entwicklung Das Tempo, das Google vorlegt, ist nach wie vor hoch. Google-Manager Bradley Horowitz betont, dass Google nur hundert Tage nach dem Start des neuen Dienstes die Funktionalitäten erneut erweitert habe.