Um 75 Prozent hatte die Stadt Stuttgart das Solarziel überraschend eingedampft. Um die Klimaziele zu erreichen, kann es dabei nicht bleiben. Bei der Verwaltung wird das Thema augenscheinlich als heikel eingestuft.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Stuttgart ist eine Großstadt, die größte Stadt in Baden-Württemberg. Solarenergie erntet sich hier nicht so leicht wie in einer Gemeinde auf dem Land mit vielen Einfamilienhäusern und Freiflächen. Abgesehen davon: Um bis 2035 emissionsfrei zu werden, hat die Stadt Stuttgart beim Solarausbau noch viel vor. Womöglich zu viel?

 

Die Mitte 2022 gesteckten Ziele hat die Stadt im Frühjahr 2023 überraschend wieder um 75 Prozent nach unten geschraubt. Seither stellen sich die Fragen in der Stadt, wie viel Solarpotenzial Stuttgart hat und wie viel davon bis in zwölf Jahren tatsächlich gehoben werden kann.

Erstaunen auch bei McKinsey

Die Korrektur nach unten – von 2150 auf 520 Megawattpeak – im April 2023 hatte Erstaunen hervorgerufen. Auch bei McKinsey. Die Unternehmensberatung hatte gemeinsam mit der Stadt Stuttgart die Studie erstellt, wie die Landeshauptstadt bis 2035 emissionsfrei werden kann. Es folgte ein Gerangel um Zahlen und Quellen – und eine Stadtverwaltung in Habachtstellung. Für Nachfragen gibt es bei der Stadt aktuell niemanden, der mit seinem Namen und Gesicht Auskunft geben möchte. Dünnes Eis, so jedenfalls wirkt es nach außen.

Die schriftliche Antwort der Pressestelle ist allerdings ausführlich und sorgfältig formuliert. Man ist bemüht, das Positive nach außen zu kehren. Die Stadt mache bereits viel, es gebe zahlreiche Förderprogramme. Gerade erst seien die Förderrichtlinien beispielsweise für Balkonkraftwerke und Volleinspeiser angepasst worden.

Kluft zwischen Theorie und Praxis beim Ausbau

Und welche Potenziale hat Stuttgart in den nächsten zwölf Jahren nun tatsächlich? Aus der Antwort der Stadt wird deutlich, dass es zunächst bei der Kluft zwischen theoretischem und realisierbarem Potenzial bleibt. Der Klimafahrplan, erarbeitet von McKinsey und der Stadt, sei „kein detaillierter Umsetzungsplan“. Das Solarpotenzial stamme aus dem Solaratlas. „Diese Zahl ist ein maximal theoretisches Potenzial. Dieses ist nicht bereinigt.“ Um Gegebenheiten vor Ort wie Ausrichtung, Verschattung oder Statik.

Um die Emissionsziele zu erreichen, wird es sich Stuttgart jedoch kaum leisten können, an der Korrektur nach unten festzuhalten. „Die Ziele des angestrebten PV-Ausbaus auf Grundlage des McKinsey-Gutachtens gelten weiter, müssen aber auch mit umsetzbaren Maßnahmen unterlegt werden“, teilt die Stadt mit. Diese Maßnahmen suche man derzeit. „Hier sind insbesondere Verkehrsflächen wie Straßen und Parkplätze, Freiflächen sowie Fassaden zu nennen.“ Ende 2023 wisse man mehr.