Post-Brexit-Deal Boris Johnson sieht EU und Großbritannien „weit voneinander entfernt“

Für den britischen Premierminister Boris Johnson ist noch kein Kompromiss im Streit um ein Handelsabkommen nach dem Brexit in Sicht. Aus dem EU-Parlament kommt indes die Forderung, die Verhandlung ins neue Jahr hinein zu verlängern.
London - Vor seiner Reise nach Brüssel ist für den britischen Premierminister Boris Johnson noch kein Kompromiss im Streit um ein Handelsabkommen nach dem Brexit in Sicht. Beide Seiten seien „weit voneinander entfernt“, sagte Johnson am Dienstag. Die Bundesregierung forderte den Premier zu Zugeständnissen auf und warnte vor den Folgen eines Scheiterns. Aus dem EU-Parlament kam die Forderung, die Verhandlung ins neue Jahr hinein zu verlängern.
„Wir wollen einen Deal, aber nicht zu jedem Preis“, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD). „Was wir brauchen, ist politischer Wille in London.“ Grundlage für die künftigen Beziehungen sei Vertrauen. „Genau dieses Vertrauen steht in unseren Verhandlungen nun auf dem Spiel.“
Johnson spricht von schwieriger Situation
Es sei klar, „dass es alle etwas satt haben“, sagte Frankreichs Europa-Staatssekretär Clément Beaune dem Rundfunksender RMC mit Blick auf die seit mehr als acht Monaten andauernden Verhandlungen. Er wolle aber „kein Scheitern zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, es gibt noch Zeit für Verhandlungen, einige Tage.“
Er sei „immer optimistisch“, doch aktuell sei „die Situation schwierig“, sagte Johnson. „Unsere Freunde müssen verstehen, dass das Vereinigte Königreich die EU verlassen hat, um demokratische Kontrolle ausüben zu können.“
Johnson will „in den nächsten Tagen“ in Brüssel mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über eine Lösung für die blockierten Verhandlungen beraten. Beide hatten am Montagabend nach einem Telefongespräch erklärt, die Voraussetzungen für ein Abkommen seien weiter nicht gegeben. Ein Kommissionssprecher sagte am Mittag, ein Termin für das Treffen stehe weiter nicht fest.
Austritt erfolgte zum 1. Februar
Roth verwies darauf, dass es weiter keine Einigung bei „drei wesentlichen Bereichen“ gibt. Dabei geht es um faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle der Einhaltung eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um das Handelsabkommen auszuhandeln. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung bis zum 1. Januar schon äußerst knapp.
Bisher galt eine Verlängerung über diese Frist hinaus in Brüssel als ausgeschlossen. Auch die britische Seite hatte dies am Montag erneut abgelehnt.
Ohne Einigung werden Zölle erhoben
Angesichts der verfahrenen Lage kommen nun aber von EU-Seite erste Forderungen nach einer Verlängerung ins neue Jahr hinein. „Meiner Ansicht nach können beide Partner sagen, wir verlängern für einen Monat“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), im Deutschlandfunk. „Da bricht die Welt nicht mit zusammen. Das sollten wir machen, das ist seriöser.“
„Wenn es am 1. Januar keine Vereinbarung gibt, gibt es keine Vereinbarung“, sagte ein Kommissionssprecher zu solchen Überlegungen. „Und das wird viele Konsequenzen haben.“ Er schließe aber nicht aus, dass nach einem solchen No-Deal-Ergebnis wieder Verhandlungen mit London aufgenommen würden.
Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann nicht nur mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr, sondern auch mit Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen.
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