Mit Geldern des Landes fördert ein Verein den Ausbau intelligenter Stromnetze („smart grids“). Nun ging ein Auftrag just an die Firma des Vorsitzenden. Ein Fall mit G’schmäckle? Alles sei sauber abgelaufen, versichern die Verantwortlichen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Abseits der Fachwelt wird die 2013 gegründete Smart-Grids-Plattform Baden-Württemberg bisher wenig wahrgenommen. Zu abstrakt erscheint der Gegenstand des Vereins. Smart Grids – das ist der englische Begriff für intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeuger, Netzbetreiber, Speicher und Kunden mit moderner Technologie verknüpft werden. Dadurch soll das Energiesystem stabil, flexibel und effizient werden – unabdingbar für den Erfolg der Energiewende.

 

In Expertenkreisen hat das Thema denn auch einen hohen Stellenwert. “Smart Grids” gelten als Schlüsselkonzept für die Energiewelt der Zukunft, in der Strom immer dezentraler und abhängig von Wetter oder Tageszeit erzeugt wird. So sieht es auch Umweltminister Franz Untersteller, dessen Haus die Plattform auf den Weg brachte. Baden-Württemberg solle zum „Vorreiter“ bei Entwicklung und Nutzung intelligenter Stromnetze werden, wünscht sich der Grüne. Dazu könne der Verein, in dem sich mehrere Dutzend Unternehmen und Einzelakteure organisiert haben, einen „wesentlichen Beitrag“ leisten.

„Sorgfältiger Umgang mit öffentlichen Geldern“

Neben aufmunternden Worten gibt es von Untersteller auch Geld. Zunächst stellte er dem Verein 200 000 Euro als Förderung in Aussicht, inzwischen sind daraus mehr als 600 000 Euro geworden. Den Bescheid übergab sein Amtschef Helmfried Meinel feierlich an den Vereinsvorsitzenden Albrecht Reuter, der darin eine „wichtige Ergänzung“ der Mitgliedsbeiträge sieht. Man fühle sich selbstverständlich „zum sorgfältigen Umgang mit den Zuschüssen der öffentlichen Hand verpflichtet“, gelobte „SmartGridsBW“.

Nun aber wird ein Vorgang bekannt, der – jedenfalls auf den ersten Blick – einige Fragen aufwirft. Es geht um ein vom Land mit gefördertes Projekt, das dem Anliegen des Vereins breitere Resonanz verschaffen soll: eine „Smart-Grids-Route Baden-Württemberg“. Schon heute existierende Beispiele sollen dabei „anschaulich präsentiert“ werden und das abstrakte Konzept erlebbar machen. Zugleich entstehe ein „Schaufenster“ für baden-württembergische Hersteller, die Kunden aus dem In- und Ausland den Nutzen ihrer Produkte vorführen könnten. Eine Webseite und eine Smartphone- „App“ sollen Interessenten den Weg weisen.

Auftraggeber und Auftragnehmer identisch?

Eher unauffällig wurde kürzlich auf der Homepage des Vereins mitgeteilt, wer mit deren Entwicklung und Realisierung beauftragt worden sei: die Fichtner IT Consulting AG, eine Firma der Stuttgarter Fichtner-Gruppe, der auch der IHK-Präsident entstammt. In Branchenkreisen ließ das prompt aufhorchen. Fichtner IT? Da sitze doch genau jener Albrecht Reuter im Vorstand, der auch den Plattform-Verein führe. Auftraggeber und Auftragnehmer seien also gleichsam identisch – ob das mit rechten Dingen zugegangen sei? Die Sache habe ein „G’schmäckle“ und zeuge nicht gerade vom sensiblen Umgang mit Steuergeldern, hieß es – auch wenn es nur um einen fünfstelligen Betrag gehe.

Tatsächlich ist Reuter auf beiden Seiten in verantwortlicher Funktion. Aber Konflikte ergäben sich daraus keine, alles sei sauber gelaufen, versichert der Geschäftsführer des Vereins, Jakob Wachsmuth. Man habe den Auftrag in einem „offenen, transparenten Ausschreibungsverfahren“ vergeben, an dem Reuter „zu keinem Zeitpunkt beteiligt“ gewesen sei; Webseite und App erhalte man nun „zum bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnis“. Seinen Pflichten im Umgang mit öffentlichen Geldern, beteuert Wachsmuth, sei SmartGridsBW “zu jeder Zeit nachweisbar nachgekommen”. Auffällig holprig verlief die Vergabe gleichwohl. Bereits im Herbst 2014 wurden laut dem Geschäftsführer mehrere Angebote eingeholt. Wegen der großen Unterschiede bei Kosten und Preisen habe man die Leistungsbeschreibung präzisiert und den Auftrag dann doch öffentlich ausgeschrieben. Unter fünf Bietern oder Bietergemeinschaften sei der Zuschlag schließlich an Fichtner gegangen, die nach den Bewertungskriterien „insgesamt am besten abgeschnitten“ hätten. Aus dem Auswahlkomitee habe sich Reuter frühzeitig zurückgezogen, um bei einer möglichen Bewerbung seiner Firma „eine Befangenheit …. von vornherein auszuschließen“, betont Wachsmuth. Am gesamten weiteren Prozess sei er nicht mehr beteiligt gewesen.

Grundsatzdebatte über Aufträge an Mitglieder

Ob der Verein Aufträge auch an Mitglieder vergeben dürfe und solle – diese Frage sei in der Mitgliederversammlung und im Vorstand erörtert worden. Ergebnis: ein grundsätzlicher Ausschluss wäre falsch, weil er zu Austritten und zum ineffizienten Einsatz von Mitteln führen würde; Mitglieder dürften „weder bevorzugt noch benachteiligt werden“. Um solche Vergaben „öffentlich vermitteln zu können“, sagt der Geschäftsführer, mache man sie aber „grundsätzlich transparent“ – wie mit den Auskünften an die StZ.