Nach der SWR-Reportage „Hungerlohn am Fließband“ kritisiert der Untertürkheimer Daimler-Betriebsrat, dass mit Dienstleistern immer mehr sogenannte Werkverträge abgeschlossen werden. Die Folge: Dumpinglöhne.

Stuttgart - Der Daimler-Betriebsrat im Werk Untertürkheim kritisiert die fehlende Bereitschaft des Unternehmens, eine Vereinbarung über den Umgang mit Werkverträgen abzuschließen. Nach den Worten von Betriebsratschef Wolfgang Nieke fordern die Arbeitnehmervertreter schon seit längerem einen Vertrag. „Das Unternehmen weigert sich aber bisher, Regeln zu vereinbaren“, sagte Nieke. Anlass für die Stellungnahme war ein SWR-Fernsehbeitrag mit dem Titel „Hungerlohn am Fließband“, in dem es um Werkverträge in Untertürkheim ging. Daimler bestreitet eine Blockadehaltung. Nach Angaben eines Sprechers wurde für den Bereich Forschung und Entwicklung mit dem Betriebsrat vereinbart, dass in Planungsgesprächen über den Bedarf und den Einsatz von Werkverträgen informiert wird. Daimler, so sagte der Sprecher, sei bereit, diese Regelung auf andere Bereiche auszuweiten; Gespräche liefen noch. Nur informiert zu werden, ist dem Betriebsrat aber zu wenig. Nach Niekes Angaben wurde nach der Tarifrunde 2012 ein Anlauf unternommen, Einfluss auf die Werkvertragspraxis zu gewinnen; seit dem Jahreswechsel ist Funkstille.

 

Frei gestaltete Werkverträge verführen zu Dumpinglöhnen

Der Betriebsrat hat rechtlich keinen Einfluss auf die Vergabe und die Gestaltung von Werkverträgen. Daimler schließt mit Dienstleistern Verträge über bestimmte Leistungen, die inhaltlich abgrenzbar sind, und die entsprechenden Arbeitsumfänge; hierfür wird ein Preis vereinbart, an dem der Dienstleister die Entlohnung der Werkvertragsarbeitnehmer ausrichtet. Typische Beispiele sind die Arbeiten von Ingenieurbüros sowie Logistikdienstleistungen, Gebäudereinigung oder Malerarbeiten. Werkverträge können frei gestaltet werden, weshalb sie bei Gewerkschaften im Verdacht stehen, zu Dumpinglöhnen zu führen. Der Betriebsrat in Untertürkheim glaubt, dass Daimler immer mehr Werkverträge einsetzt, seitdem die Leiharbeit verstärkt durch Tarifverträge reguliert wird.

Werkvertragsarbeitnehmer verdienen häufig nur einen Bruchteil des Lohns von Stammbeschäftigten. Für einfache Arbeiten in der Produktion (bezeichnet als Logistikdienstleistungen), für die Daimler ansonsten Leiharbeiter einsetzt, erhalten Werkvertragsarbeitnehmer von ihren Dienstleistern zum Beispiel 8,17 Euro pro Stunde; der Leiharbeiter würde in dem Fall 17,80 Euro erhalten. Daimler macht keine Angaben darüber, in welchem Umfang Werkverträge eingesetzt werden. In der Vergangenheit hieß es nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung zu dem Thema stets, es liege im Ermessen des Dienstleisters, festzulegen, mit welchem Personalaufwand er die Aufgabe erledigen will.