In Damaskus reibt sich der verhasste Diktator Bashar al-Assad die Hände: Beim Widerstand gegen die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ müssen die Amerikaner mit dem Regime kooperieren, dem 190.000 Tote zur Last gelegt werden.

Damaskus - Zwei Jahre lang haben sich die Todfeinde geschont. Stets sparte Baschar al-Assad bei Luftangriffen die Stellungen des „Islamischen Staates“ (IS) und deren Hochburg Raqqa aus. Die schwarzen Dschihadisten ließen dafür das halbe Dutzend Kasernen in ihrem Hegemoniebereich unangetastet. Seit der IS-Offensive Anfang Juni bis vor die Tore Bagdads marschierten ist jedoch auch der Burgfrieden zwischen den schwarzen Terroristen und Damaskus zerbrochen. Am Wochenende eroberten die so genannten Gotteskrieger mit Tabqa die letzte und wichtigste Luftwaffenbasis im Osten Syriens. Mindestens 150 Offiziere und Mannschaften gerieten in Gefangenschaft. Zuvor hatten sie bereits drei andere Kasernen und zwei wichtige Ölfelder in ihre Gewalt gebracht.

 

Die IS-Kämpfer können auch Assad gefährlich werden

An Tabqa bissen sich sämtliche anderen Rebellengruppen jahrelang die Zähne aus. Die IS-Kommandos dagegen brauchten ganze sechs Tage und vier Angriffswellen mit Selbstmordattentätern, um das strategisch wichtige Areal mit seinen riesigen Waffenvorräten, darunter MiG-21-Kampfjets, Helikopter, Panzer sowie Flugabwehrgeschütze in ihre Gewalt zu bringen. Und so weiß die Führung in Damaskus spätestens seit dem Wochenende, dass die IS-Kämpfer nun auch ihr gefährlich wird. Denn Assads in drei Kriegsjahren zermürbte Soldaten sind den bestens finanzierten und bewaffneten Vandalen genauso wenig gewachsen wie 500 Kilometer weiter die irakische Armee.

Für den syrischen Diktator entsteht damit eine neue Lage, genauso wie für seinen Erzfeind USA an der irakischen Front des „Islamischen Kalifats“. Beide Kontrahenten finden sich durch die Krise plötzlich als De-facto-Verbündete wieder im Kampf gegen das „Krebsgeschwür des Nahen Ostens“, wie US-Präsident Barack Obama kürzlich formulierte. Das Weiße Haus wirft Assad vor, die IS-Krieger allzu lange geschont und damit extrem bedrohlich gemacht zu haben. Selbst in Aleppo ließ der Diktator die Extremisten ungehindert operieren. Islamisten aus seinen Kerkern wurden scharenweise auf freien Fuß gesetzt. Denn ihre Schreckensherrschaft erfüllte für Damaskus einen doppelten Zweck. Die IS-Attacken auf andere Rebellengruppen schwächten die bewaffnete Opposition. Und das blutrünstige Gebaren der Dschihadisten diente dem Regime als Beleg für seine Behauptung, Volksaufstand und Bürgerkrieg seien in Wahrheit ein Terrorfeldzug gegen die gesamte syrische Nation.

In Damaskus reibt man sich die Hände

Am Freitag ließen der amerikanische Verteidigungsminister und sein Generalstabschef erstmals keinen Zweifel daran, dass US-Luftangriffe gegen den IS auf syrischem Boden zwingend nötig seien, wolle man dem Treiben der Dschihadisten Einhalt gebieten – ein Paukenschlag, der sofort feinziselierte diplomatische Erklärungen auslöste. Sie widerspreche ausdrücklich der Auffassung, die USA und Syrien befänden sich nun bei ihrem Vorgehen im Gleichklang, stellte wenig später die Sprecherin des US-Außenministeriums klar. Auch Großbritannien möchte nicht mit dem syrischen Regime, das mehr als 190 000 Tote, mehr als 500 000 Verletzte und fast zehn Millionen Flüchtlinge zu verantworten hat, Seite an Seite gesehen werden. „Wir mögen dann und wann dieselben Leute bekämpfen, das macht uns noch lange nicht zu Assads Verbündeten“, wand sich Londons Außenminister Philip Hammond. Doch in Damaskus reibt man sich die Hände. Denn amerikanische Laser-Raketen gegen den IS träfen nicht nur die gefährlichsten Feinde des syrischen Regimes, sie würden indirekt auch Assads Machterhalt zementieren. „Wir sind bereit, mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren, um den Terrorismus zu bekämpfen“, verkündete nun Syriens Außenminister Walid Muallem. Dabei seien auch „die USA und Großbritannien willkommen“.