Statt zwei Meter große Riesen will der Handball-Trainer Rolf Brack wendige und aggressive Spieler. Bei StZ im Gespräch plauderte er mit Kai Holoch über Finanzen, Wellness und Potenziale.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Ein Besessener“, sagen seine Bekannten, „ein Mann voller Leidenschaft“, sagen seine Freunde, „ein Mann, der seinen Kopf immer im Spiel hat“, sagen die Handballer. Bekannte, Freunde und Handballer waren am Freitagabend in die Esslinger Redaktion gekommen, um ihr Idol Rolf Brack, zur Zeit Trainer von Frisch Auf Göppingen und eine der bemerkenswertesten Trainer-Persönlichkeiten Deutschlands, live als Redaktionsgast zu erleben.

 

Für den 64-Jährigen war es ein Heimspiel. Er steckte voller Geschichten, analysierte blitzschnell, sprach strategisch über Handball und Handballtraining, über Siege und Niederlagen, sein Gesprächspartner und Esslinger Redaktionsleiter Kai Holoch brauchte nur wenige Stichworte zu geben.

Da ging es um Tage wie jener im Jahr 1983, als er beim TSV Zuffenhausen im letzten Spiel den Klassenerhalt schaffte, sein Sohn geboren wurde und die Mannschaft ihn als Trainer durchsetzte; gegen den Verein. „Vielleicht habe ich zu viele Vereinsmitglieder beim Skat über dem Tisch gezogen, oder zu oft die Vereinsvorstände aus der Kabine geschickt, wenn sie meinten, mitreden zu müssen.“, antwortete Brack.

Aber Rolf Brack wusste, was er tat. „Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis deine Handschrift im Team erkennbar ist“, sagt er. Bis die roten Linien sichtbar sind, bis die Pflöcke eingeschlagen sind. Dann allerdings geht es zunächst rückwärts bei der Teambildung. Dawning nennt man das. Meinungsverschiedenheiten kommen auf den Tisch, Kritik wird geäußert. „Hier muss man Probleme offen ansprechen, hier muss man Klarheit schaffen und miteinander ehrlich sein.“

Und dann? „Dann beginnt das Performing!“, dann geht es los. So etwa wie bei der HBW Balingen-Weilstetten. Eine Mannschaft, die mit dem kleinsten Etat der Bundesliga nicht nur den Klassenerhalt schaffte, sondern auch ziemlich gut im Mittelfeld der Liga spielte. Ein Meistertitel war nicht drin, das ließen die Finanzen nicht zu. „Sportlicher Erfolg und finanzieller Erfolg hängen zusammen“, sagt Brack, „Geld schießt viele Tore, im Handball noch mehr als im Fußball.“ Seine zweite trainerische Glanztat war seine Arbeit mit dem TSV Scharnhausen, den er in die erste Bundesliga führte.

Brack hadert manchmal mit den Sportdirektoren, die direkt aus der Aktiven-Karriere ohne betriebswirtschaftliche Ausbildung ins Management gerieten. Nur weil jemand ein guter Feldspieler gewesen sei, sei er noch lange nicht in der Lage, strategische Entscheidungen für die Vereinsfinanzen zu treffen, sagt er.

Der beste Läufer hatte immer die schlechtesten Laktat-Werte

Bei Rolf Brack müssen die Spieler die Komfortzone verlassen. Er erkennt, wenn mehr Potenzial da ist, als die Spieler zeigen und will das herauskitzeln. Er will offensives Verteidigungsspiel sehen und aggressives Zweikampfverhalten. Die Mentalität eines Spielers ist ihm wichtiger als sein Körperbau. Die langsamen Zwei-Meter-Riesen im Handball findet er schlechter als die wendigen und schlitzohriger Spieler, die ein Match entscheiden können. Er verlangt Begeisterung nicht nur von den Spielern auf dem Feld, sondern auch von allen, die auf der Bank sitzen. Mit Wellness kann er nichts anfangen. „Wir brauchen statt statischem ein dynamisches Stretching“, sagt er. Und dann gibt es immer neue Trainingsmethoden, die nur in der Theorie gut aussähen. „Laufen ohne zu schnaufen“, war für ihn so eine Fehlentwicklung. Laktat-Messungen, die Erschöpfung anzeigen? „Mein bester Läufer hatte immer den schlechtesten Laktat-Wert“, erinnert sich Brack.

Ein Handballspieler aus dem Publikum des Redaktionsabends war einmal Bracks Trainingsmethoden begegnet. „Der macht uns no he“, stöhnten die Spieler. „Das war kumulative Ermüdungsaufstockung“, übersetzt Brack den schwäbischen Satz, jetzt ganz Stuttgarter Sportwissenschaftler, dabei grinst er genauso schlitzohrig, wie er sich seine Spieler wünscht.

Das Potenzial der Spieler voll ausschöpfen

Aufgewachsen ist er 70 Kilometer weit weg von Kaiserslautern, Richtung Hunsrück. Die Nachmittage verbrachte die Dorfjugend auf dem Fußballplatz, manchmal fünf bis sechs Stunden. Am Gymnasium wandte er sich dem Handball zu. Seiner aktiven Karriere schloss sich ein Sportstudium an, anschließend wechselte er zur Universität Stuttgart und wurde Privatdozent.

Immer war er Trainer. Zuletzt rief ihn der Bundesligist Frisch Auf Göppingen. Mit Leidenschaft stürzte er sich in sein neues Amt. Auch in Göppingen wird er das versuchen, was er immer gemacht hat. Das Potenzial der Spieler voll ausschöpfen. Nein, sagt er, er werde auch hier kein Animateur im Robinsonclub sein, sondern sein Motto verwirklichen: „Mentalität schlägt Klasse“. Das bedeutet, dass die leidenschaftlichere Mannschaft auch gegen eine technisch überlegene Mannschaft gewinnen kann.