Über Ursachen und Probleme mit der dicken Luft in Stuttgart sprach Redakteur Thomas Durchdenwald beim VHS-Pressecafé der Stuttgarter Zeitung.

Stuttgart - Das Thema bewegt die Gemüter. „Dicke Luft in Stuttgart – Feinstaubalarm: Brauchen wir wirklich weniger Autos in Stuttgart?“ lautete der Titel des ersten Pressecafés der Reihe „StZ/VHS direkt“ in diesem Jahr. Und mehr als 100 Interessierte kamen in den Treffpunkt Rotebühlplatz zum Vortrag von Thomas Durchdenwald, Redakteur unserer Zeitung. „Man kann den Autoverkehr nicht isoliert betrachten“, sagte er. „Man muss ihn mit der Wohn- und Arbeitsplatzthematik der Ballungsräume sehen.“ In Stuttgart und der Region seien rund 1,9 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, in Esslingen und Ludwigsburg je 320 000 Autos, in Böblingen und dem Rems-Murr-Kreis 250 000. „In Stuttgart kommen seit Jahren 470 Autos auf 1000 Einwohner, in den Kreisen sind es zum Teil über 600, der Zuzug schlägt zu Buche.“ In der Region bestimme der Autoverkehr zu mehr als 50 Prozent die Mobilität, in Stuttgart weniger. Und während aus der Landeshauptstadt täglich 87 000 Menschen hinauspendelten, kämen 240 000 hinein. „Auch Böblingen hat einen Einpendlerüberschuss“, so Durchdenwald, „dank der Arbeitsplätze.“

 

Ein Drittel pendelten nach Stuttgart wegen Beruf und Ausbildung, ein Drittel wegen der Freizeit, ein weiteres Drittel wegen Einkauf oder Terminen. Zwar stagniere das Fahrzeugaufkommen am Kesselrand, nehme aber an der Markungsgrenze zu. „Auf den Fildern, in Möhringen oder Vaihingen haben sich Firmen angesiedelt.“

Luft in Stuttgart wird besser

Dennoch hat die Messstation am Neckartor, die die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) gemäß Vorgaben der Europäischen Union betreibt, in Sachen Schadstoffe eine einmalige Stellung: Bis 2016 war sie mit 82 Mikrogramm Stickstoffdioxid, dem Abgas insbesondere von Dieselmotoren, pro Kubikmeter Luft im Jahresschnitt deutscher Spitzenreiter, 2017 waren es 73. Der gesetzliche Grenzwert für das Jahresmittel liegt bei 40 Mikrogramm. „2017 wird uns wohl München als Spitzenreiter ablösen, bundesweit werden in knapp über 60 Städten erhöhte Werte gemessen“, so Durchdenwald. Am Neckartor wurde zudem der Grenzwert von Feinstaub an 45 Tagen (2016: 63) überschritten: Erlaubt sind 35 Tage mit mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub im Tagesmittel. Noch laufen zwei Verfahren: Ein Bürger am Neckartor klagte gegen das Land wegen der Feinstaubbelastung, die Deutsche Umwelthilfe tat dies wegen der Stickstoffbelastung.

Das Thema wurde lebhaft diskutiert. Während ein Mann meinte, die Luft habe sich seit 2005 enorm verbessert, betonte ein anderer, dass die Grenzwerte strenger sein müssten. Er beklagte die „Untätigkeitsspirale“ bei der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). „Seit Jahrzehnten gibt es ein ministerielles Papier: Mit einer geringen Erhöhung der Mineralölsteuer könnte man den ÖPNV billiger machen, der ist für viele zu teuer in Stuttgart.“ Beklatscht wurde auch eine Frau, die forderte, dass der Lobbyismus enden müsse, Politiker aus dem Verkehrsausschuss dürften nicht sofort in die Autoindustrie wechseln. „Steuervergünstigungen für SUVs sind ein Verbrechen.“ Gefordert wurden bessere, günstigere Verbindungen, der ÖPNV sei im Berufsverkehr überfüllt und unattraktiv.

Verantwortung trägt auch jeder einzelne

Thomas Durchdenwald bestätigte, dass es viele Stellschrauben gibt. Indes wolle Stuttgart vom Jahr 2019 an zehn Millionen Euro mehr in den ÖPNV-Topf einzahlen, auf dem Stadtgebiet soll es nur noch eine Tarifzone geben. „Eine ehrliche Debatte zur Verkehrswende tut not. Es gibt verschiedene Verkehrsbedürfnisse, jeder muss selbst entscheiden können, wie er von A nach B kommt“, erklärte Durchdenwald. Aber jeder verantworte schließlich auch sein Handeln. „Keiner zwingt mich, am Neckartor zu fahren oder in der Freizeit das Auto zu nehmen.“