Beim Deutschen Olympischen Sportbund kandidiert Ursula Kreutel für ein Sprecheramt. Doch Delegierte sind irritiert, weil Weissachs Ex-Bürgermeisterin nicht offensiv über laufende Ermittlungen informierte. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, sagt sie selbst.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart -

 

Gut ein Jahr ist es inzwischen her, dass Ursula Kreutel (50) als Bürgermeisterin von Weissach (Kreis Böblingen) abgewählt wurde. Beruflich hat sich die Verwaltungsexpertin seither neu orientiert: Sie kümmert sich um Menschen, die unter amtlicher Betreuung stehen. Nun will sie sich auch ehrenamtlich wieder stärker engagieren: Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), dem Dachverband von fast 90 000 Sportvereinen mit gut 27 Millionen Mitgliedern, möchte sich die einstige Leistungssportlerin (Leichtathletik, Diskuswerfen) für die Gleichstellung von Männern und Frauen einsetzen.

Wenn an diesem Freitag und Samstag in Nürnberg die sogenannte DOSB-Frauenvollversammlung tagt, steht Kreutel zur Wahl. Als Vertreterin der „nichtolympischen Spitzenverbände“ kandidiert sie für die Sprecherinnengruppe, welche die für Frauen und Gleichstellung zuständige Vizepräsidentin des Verbands unterstützt. In ihrem Vorstellungsschreiben schildert sie den Delegierten nicht nur ihren beruflichen Werdegang vom Sportamt in Stuttgart über die Ortsverwaltung in Leonberg-Höfingen bis zum Weissacher Rathaus, sondern auch ihre Beweggründe für die Bewerbung.

„Sie werden ihre Wahl nicht bereuen“

Als Bürgermeisterin habe sie „unterschiedliche Modelle der Gleichstellungsarbeit kennengelernt“, eigene entworfen und umgesetzt. Als alleinerziehende Mutter wiederum habe sie viel Förderung erfahren, zuweilen aber auch Unterstützung vermisst. Den Blick aus verschiedenen Perspektiven, ihre Erfahrungen in der Gremienarbeit und ihre Netzwerke wolle sie nun in den DOSB einbringen.

Wärmstens empfohlen wird Kreutel von jenem Fachverband, in dem sie sich seit Jahren engagiert: dem Deutschen Rasenkraftsport- und Tauziehverband (DRTV). Geradezu überschwänglich lobt dessen Präsident, Gunter H. Fahrion aus Stuttgart, seine für Frauenfragen zuständige Stellvertreterin. In einem Brief an die Delegierten würdigt er nicht nur ihre Pionierdienste für den Rasenkraftsport und ihre sportlichen Erfolge – vom Titel als Deutsche Meisterin im Diskuswerfen 1990 bis zu jüngst errungenen „Seniorentiteln“. Auch sonst schwärmt er von der Kandidatin: „Ursula Kreutel ist und war eine Kämpfernatur.“ Sie habe „auch auf beruflicher Ebene einiges vorzuweisen“ und wäre „ein Gewinn für den DOSB“. Wer für sie stimme, appelliert er, werde es „nicht bereuen“.

Von Untreue-Ermittlungen keine Rede

Bei den Adressatinnen fand das Empfehlungsschreiben eine gemischte Resonanz. Manchen erschien es etwas eigenartig, dass sich ein Mann derart in die Wahl einmische: die Frauen wüssten schon selber, wenn sie küren wollten. Vor allem aber vermissten sie eine Information, die auch in Kreutels Schreiben nicht vorkam: Gegen die Kandidatin, ergaben Recherchen von Delegierten, laufe offenkundig ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Entsprechende Medienberichte machten schnell die Runde. Der Tenor der Reaktionen: das hätte man schon gerne gewusst, vielleicht stehe es ihrer Wahl ja entgegen.

So wird Kreutel nun von einem Vorgang eingeholt, der ihr schon als Bürgermeisterin reichlich Ärger bereitete: einem Dauerstreit mit ihrem einstigen Hauptamtsleiter, um dessen Rauswurf es viel rechtlichen Ärger gab. Wegen der dafür angefallenen Anwaltskosten von rund 100 000 Euro wurde gegen Kreutel schon vor zwei Jahren Strafanzeige erstattet. Der Vorwurf im Kern: es bestehe der Verdacht der Untreue, weil die Rathauschefin für die Ausgaben keine Beschlüsse des Gemeinderats eingeholt habe. Seit 2014 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart, das Verfahren sei noch anhängig, bestätigt eine Behördensprecherin.

Kritische Fragen angekündigt

Ursula Kreutel weiß zwar, dass gegen sie ermittelt wird. Über den Stand des Verfahrens habe sie aber keine Informationen von der Staatsanwaltschaft. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen und gehe deshalb davon aus, dass sich die mir lediglich aus der Presse bekannten Vorwürfe durch die Ermittlungen aufklären lassen“, teilte sie der Stuttgarter Zeitung mit. Im Übrigen gelte für sie der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Auf diesen poche auch ihr Verband, dem die Ermittlungen gegen sie bekannt seien; diese änderten dort nichts am „Vertrauen in meine Person“.

Tatsächlich genügt für Ermittlungen ein Anfangsverdacht; was am Ende herauskommt, ist offen. Doch in Delegiertenkreisen hätte man sich zumindest mehr Transparenz gewünscht. In Nürnberg, wurde bereits angekündigt, müsse sich Kreutel „auf kritische Fragen gefasst machen“.