Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Rechtsextremisten in Baden-Württemberg deutlich gestiegen. Doch das ist laut Verfassungsschutz derzeit nicht die einzige Bedrohung. Ein Überblick.

Die Zahl der Rechtsextremisten in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Der Verfassungsschutz verzeichnete 2460 Mitglieder in der Szene. Im Vorjahr hatte der Wert bei 1970 gelegen. Das entspricht einem Anstieg um rund 25 Prozent. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 hervor, den Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube am Donnerstag in Stuttgart vorstellten.

 

Als Grund für den Anstieg nannte der Geheimdienst die Beobachtung der Landes-AfD. Dadurch sei das rechtsextreme Potenzial innerhalb der Partei in den Bericht aufgenommen worden. Die AfD, die auch mit einer Fraktion im baden-württembergischen Landtag vertreten ist, wird seit dem vergangenen Jahr vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet.

Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ging leicht zurück. Die Verfassungsschützer verzeichneten im vergangenen Jahr 1410 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. Im Jahr 2021 waren es 1482 gewesen. Leicht zugenommen hat dagegen die rechtsextreme Gewalt. 2022 registrierte der Verfassungsschutz 34 Gewalttaten durch Rechtsextreme, im Vorjahr waren es 28.

„Reichsbürger“

Nach mehreren Angriffen auf Polizeibeamte durch sogenannte Reichsbürger geht der Verfassungsschutz weiter von einer hohen Gefahr durch die Szene aus. Innenminister Strobl sprach von einer „anhaltend hohen Bedrohungslage durch die Szene“. Aus dem Bericht des Geheimdienstes geht hervor, dass in Baden-Württemberg rund 3800 Menschen dem Milieu der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter angehören. Im Vergleich zum Vorjahr blieb der Wert stabil. Jeden zehnten „Reichsbürger“ hält der Verfassungsschutz für gewaltbereit.

Im Februar vergangenen Jahres hatte ein „Reichsbürger“ bei einer Verkehrskontrolle in Lörrach einen Polizisten angefahren und schwer verletzt. Gut zwei Monate später wurden Polizisten bei einer Durchsuchung in Boxberg (Main-Tauber-Kreis) von einem „Reichsbürger“ beschossen. Ein Beamter wurde verletzt.

Linksextremismus

Deutlich gesunken sind im vergangenen Jahr die Angriffe von Linksextremisten. Die Zahl der linksextremen Straftaten sank 2022 auf 352, im Vorjahr hatten die Verfassungsschützer noch 659 linksextreme Straftaten registriert. Auch die Zahl der Gewalttaten ging deutlich zurück: von 62 auf 39. Das ist der tiefste Wert seit fünf Jahren.

Als Grund für den deutlichen Rückgang sieht die Behörde fehlende politische Großereignisse wie Bundestags- oder Landtagswahlen. Insgesamt gehen die Verfassungsschützer von 2690 Linksextremisten in Baden-Württemberg aus, davon seien 870 gewaltbereit. „Der Trend zur Gewaltbereitschaft bricht auch in der linksextremen Szene nicht ab“, sagte Strobl.

Islamismus

Die Gefahr von Anschlägen durch islamistische Terroristen ist laut Verfassungsschutz weiter hoch. „Wir müssen von einer anhaltend hohen Gefahr durch islamistische Extremisten ausgehen“, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Bube. Die Zahl der Islamisten ist dagegen in Baden-Württemberg leicht gesunken. Dem Verfassungsschutzbericht zufolge lebten 2022 im Südwesten 4070 Islamisten. Im Vorjahr waren es 4230.

Spionage und Cyberangriffe aus Russland

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine registriert der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg außerdem eine erhöhte Aktivität russischer Geheimdienste. „Cyberangriffe, Spionage, Propaganda und Desinformation sind Werkzeuge dieses Krieges, der an Landesgrenzen nicht Halt macht. Auch wir in Baden-Württemberg sind betroffen“, sagte Strobl.

Besonders im Fokus der russischen Spione stünden Behörden, die Rüstungsindustrie, Universitäten und Forschungseinrichtungen. „Das Interesse Russlands an Informationen, die den eigenen Interessen nützen oder dem Gegner schaden, ist so hoch wie nie seit dem Ende des Kalten Kriegs“, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube.

Als hoch schätzen die Verfassungsschützer auch die Gefahr durch russische Hackerangriffe ein. Die IT-Strukturen verschiedener Stellen in Baden-Württemberg seien im vergangenen Jahr wiederholt Ziel von Cyber-Attacken gewesen, sagte Strobl.