Ein überraschender Vorschlag von Alexander Dobrindt sorgt für großen Unmut im Europaparlament.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die CSU sorgt im Europaparlament für große Aufregung. Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, schlägt in einem Interview vor, bei der nächsten Europawahl 2024 auf das sogenannte Spitzenkandidaten-Prinzip zu verzichten. „Man sollte die Europawahl zu dem machen, was sie ist: eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, aber keine Entscheidung über die Führung der Europäischen Kommission“, sagte er der Funke-Gruppe.

 

Scharfe Kritik erntet Dobrindt dafür vom CDU-Europaparlamentarier Dennis Radtke. „Die EVP hat das Spitzenkandidaten Prinzip mit erfunden und sogar in der Satzung der Partei verankert“, erklärte er am Montag. „Es braucht Verabredungen unter Demokraten, dass das Prinzip diesmal trägt und keine Demontage.“

Das Prinzip ist nicht rechtlich verankert

Das Spitzenkandidaten-Prinzip ist in der EU nicht rechtlich verankert, wird aber von EU-Politikern befürwortet, um die Rolle des Parlaments bei zentralen Personalentscheidungen zu stärken. Danach soll der Politiker Kommissionspräsident werden, der zuvor als Spitzenkandidat bei der EU-Parlamentswahl die meisten Stimmen bekommen hat. Zum Tragen kam dieses Prinzip bislang nur 2014, als die EU-Staats- und Regierungschefs den Wahlsieger Jean-Claude Juncker als Kommissionschef vorschlugen und dieser anschließend vom EU-Parlament gewählt wurde. 2019 war der erfolgreiche Spitzenkandidat und CSU-Politiker Manfred Weber am Widerstand unter anderem von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gescheitert – Ursula von der Leyen wurde Kommissionspräsidentin, obwohl sie nicht zur Parlamentswahl angetreten war.

Irritationen nach der Europawahl

„Das Spitzenkandidaten-Konzept führt nicht zum Erfolg, sondern zu Irritationen wie beim letzten Mal, als Manfred Weber (CSU) Spitzenkandidat war und Ursula von der Leyen (CDU) Kommissionspräsidentin geworden ist“, erklärte Dobrindt in dem Interview. Doch Dennis Radtke erinnert den CSU-Mann daran, dass damals mit Manfred Weber als Spitzenkandidat „der CSU das bisher einzige Ergebnis über 40 Prozent in der Ära Markus Söder“ gelungen sei.

Auch die Grünen im Europaparlament finden keine guten Worte für die Dobrindt-Idee. Daniel Freund hielte einen solchen Schritt „für eine entscheidende Schwächung der Europawahl und der europäischen Demokratie“. Und sein Parteikollege Michael Bloss betont, die Wähler „in Europas müssen nachvollziehen können, wen Sie an die Hebel der Macht bringen“.

Gegenwind aus der eigenen Ecke

Gegenwind für Dobrindt kommt auch vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Daniel Caspary. Er hält den Vorschlag für keine gute Idee. Caspary sagte, sollte die amtierende EU-Kommissionspräsidentin ihre Bereitschaft erklären, werde sie von der EVP als europaweite Spitzenkandidatin unterstützt. „Dann ist sie automatisch auch Spitzenkandidatin von CDU und CSU für die Europawahlen 2024, da diese beiden Parteien bekanntlich Mitglied der EVP sind.“ Es sei ärgerlich gewesen, dass es nach der zurückliegenden Europawahl nicht gelungen sei, Weber zum Kommissionspräsidenten zu wählen, räumte Caspary ein. Dass dieser Prozess damals gescheitert sei, sollte jedoch aus seiner Sicht nicht das ganze Verfahren in Frage stellen.