Der drastische Strategiewechsel des Ex-SAP-Chefs, Léo Aptheker, gefällt offenbar weder dem Verwaltungsrat von Hewlett-Packard noch der Börse.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Palo Alto - Am Mittwochabend sickerte in den USA durch, dass es offenbar eine starke Fraktion im Verwaltungsrat von Hewlett-Packard (HP) gibt, die den früheren SAP-Chef Léo Apotheker als HP-Chef loswerden will. Mitglieder des Aufsichtsgremiums hätten am Mittwoch bereits in diversen Gremien beraten, hieß es jetzt.

 

Gestern trat das gesamte Gremium zusammen, um über die Causa Apotheker zu beraten. Die Kontrolleure seien über den sinkenden Aktienpreis und fehlende Verbesserungen im Geschäftsverlauf besorgt. Als mögliche Nachfolgerin - zumindest auf Zeit - wurde weiterhin die frühere Chefin der Online-Handelsplattform Ebay, Meg Whitman, gehandelt.

Muss Apotheker gehen, dürfte ihm der Abgang auf jeden Fall mit mehreren Millionen Dollar aus seinem mehrjährigen Vertrag versüßt werden. Die Berechnungen in US-Medien reichen von rund neun bis 35 Millionen Dollar, die dem Manager noch zustehen könnten.

Aktienwert sank drastisch

Apotheker hatte vor einigen Wochen - mit Rückendeckung des Verwaltungsrates - einen drastischen Strategieschwenk angekündigt. Er will die PC-Sparte abstoßen und auf das Geschäft mit Software setzen. Dafür kauft HP den britischen Softwarespezialisten Autonomy. Die Ankündigung löste einen massiven Kurseinbruch aus. Zum einen ist die Computersparte von HP die größte der Welt und arbeitet trotz relativ niedriger Rendite mit Gewinn. Zum anderen wurde der Preis von gut zehn Milliarden Dollar (7,4 Milliarden Euro) für Autonomy als zu hoch kritisiert.

Apotheker hatte am 1. November 2010 das Ruder bei HP übernommen, nachdem sein populärer Vorgänger Mark Hurd wegen einer undurchsichtigen Affäre mit einer externen Mitarbeiterin gehen musste. Hurd arbeitet jetzt für den Softwarekonzern Oracle. Die Aktionäre sind unzufrieden: Seit Apotheker an der Spitze steht, verlor die Aktie fast die Hälfte ihres Werts. Die Nachricht, dass er vielleicht gehen muss, ließ den Kurs am Mittwoch um fast sieben Prozent steigen. Nach der nächtlichen Hängepartie büßte das Papier am Donnerstag allerdings wieder vier Prozent ein.

Es ist unklar, inwieweit HP den Strategiewechsel überhaupt noch zurückdrehen könnte. Die Übernahme von Autonomy dürfte kaum noch zu stoppen sein. Bei der Trennung von der PC-Sparte betonte HP selbst immer wieder, dass noch nichts endgültig entschieden sei.

Apotheker gilt als schwieriger Charakter

Sollte Apotheker gehen müssen, wäre das für ihn schon der zweite Tiefschlag in Folge. Bei SAP hatte er den Spitzenposten nach Differenzen mit Gründer Hasso Plattner ebenfalls nach weniger als einem Jahr als alleiniger Firmenchef räumen müssen. Die Geschichte wiederholt sich nun: In US-Medien ist von einem Zerwürfnis zwischen Apotheker und dem Verwaltungsratssprecher Ray Lane die Rede.

Der Deutsche gilt als schwieriger Charakter, SAP-Mitarbeiter sagen ihm einen schroffen Führungsstil nach. Meg Whitman wurde in der Branche allerdings auch nicht als geeignete Kandidatin empfunden. Analysten verwiesen darauf, dass sie als Chefin eines Internetunternehmens kaum Erfahrung mit den Geschäftsbereichen von HP habe und auch noch nie einen kriselnden Großkonzern umstrukturieren musste. Mit Apotheker würde bereits der dritte Konzernchef in sechs Jahren gehen. Die Frage, wie es dann bei HP weitergeht, wäre damit aber immer noch nicht beantwortet.

Der HP-Deutschlandchef Volker Smid wollte die Gerüchte um eine mögliche Entlassung von Léo Apotheker nicht kommentieren, verteidigte aber die Strategie des Konzernlenkers. Das PC-Geschäft von HP zu trennen sei der richtige Schritt, sagte Smid gegenüber der Stuttgarter Zeitung. "Unsere präferierte Lösung ist es, das PC-Geschäft abzuspalten.

HP distanziert sich von Tablets

Das ist für uns ein relativ normaler Vorgang, der uns immer begleitet hat. Vor zwölf Jahren haben wir unser einstiges Kerngeschäft, die Messgerätetechnik, abgespalten. Wir wollen das PC-Geschäft an die Börse bringen, damit es künftig noch flexibler agieren kann, und zwar aus der Position des unangefochtenen Marktführers heraus", sagte er. Derzeit hat das PC-Geschäft von HP ein Umsatzvolumen von 41 Milliarden Euro, die operative Marge liegt bei 5,9 Prozent. "Das ist im PC-Geschäft ein außerordentlich guter Wert", sagte Smid.

Das Geschäft mit den Tablets will HP komplett aufgeben. "Unsere Stärke ist es zwar, Geräte herzustellen, aber heute ist es so, dass der Inhalt über den Erfolg eines Tablets entscheidet." Gerade in diesem Bereich jedoch ist Hewlett-Packard kein Spezialist. "Eine Fortführung hätte erhebliche Investitionen erfordert, die in anderen Bereichen zielführender eingesetzt werden können", erklärte Smid den Rückzug aus diesem Markt, der als einer der Boommärkte der Zukunft gilt.

Er ist zuversichtlich, die Börsianer künftig von der neuen HP-Strategie überzeugen zu können. Das Unternehmen will das Softwaregeschäft ausweiten. "Wenn sie sich die Fundamentaldaten und das Portfolio von HP anschauen, werden diese Fakten auch Anteilseigner überzeugen", sagt Smid. dpa/jcw