Zuletzt stand Johnny Depp nicht wegen seiner Filme, sondern aufgrund des Rechtstreits mit seiner Ex-Frau im Fokus. Nun ist der Star wieder im Kino zu erleben – im französischen Historiendrama „Jeanne du Barry“. In Hollywood wolle er gerade nicht drehen, sagt er. Was steckt dahinter?

Zurückblicken auf den Rechtsstreit mit Amber Heard – das wolle er eigentlich gar nicht, so Johnny Depp. Trotzdem erzählt der Schauspieler, wie er diese Zeit erlebt hat, und sagt, warum er seine neue Produktionsfirma nicht in den USA, sondern in Europa gegründet hat und was ihn an der Rolle Ludwigs XV. gereizt hat.

 

Mister Depp, Ihr neuer Film „Jeanne du Barry“, der jetzt in den Kinos zu sehen ist, war in diesem Jahr beim Filmfestival in Cannes der Eröffnungsfilm. Wie haben Sie den Moment erlebt, als das Publikum Sie dort mit minutenlangen Ovationen begrüßte?

Das war auf jeden Fall ein interessanter Moment. Eigentlich passiert doch so etwas nur, wenn die Leute entweder denken, dass man aufs Altenteil gehört oder kurz davor ist, zu sterben!

Sie dagegen feiern mit dem Film Ihr Comeback nach dem jahrelangen Rechtsstreit mit Ihrer Ex-Ehefrau Amber Heard, die Ihnen häusliche Gewalt vorgeworfen hatte.

Wenn ich irgendwann einmal den Löffel abgeben sollte und dann ein paar Tage oder Wochen später doch wieder unter die Lebenden zurückkehre – das ist dann ein echtes Comeback! Oder wenn ich mir die Wirbelsäule breche und sechs Jahre später dank der Wunder der Medizin und viel Physiotherapie plötzlich doch wieder tanzend auf der Bühne stehen kann, dann ist das ein verdammtes Comeback. Aber ich war ja nie weg. Klar, mein Telefon hat eine Weile etwas weniger geklingelt, weil ich für einige eine Weile lang der Buhmann war. Doch ich habe nie aufgehört, Schauspieler zu sein.

Sie fühlten Sie allerdings auch innerhalb der eigenen Branche zu Unrecht verleumdet, richtig?

Wenn man den Menschen nur lange genug eine Lüge auftischt, glauben sie irgendwann daran. Das ist wie mit dem Weihnachtsmann. Der existiert ja auch nur, weil wir als Eltern unseren Kindern jedes Jahr erzählen, dass er real ist. Ethisch und moralisch eigentlich eine ziemlich schräge Sache, oder? Wieso lügen wir in unserer Kultur jahrelang jene Mitmenschen an, die wir am meisten lieben? Und das in der Absicht, den Kindern möglichst schöne Erfahrungen zu bescheren, die sich nicht von denen ihrer Altersgenossen unterscheiden. Das ist doch ziemlich absurd!

Aber was hat das nun mit Ihrer persönlichen Situation zu tun?

Ach, da musste ich gerade beim Stichwort Lügen dran denken. Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn man nirgends frei seine Wahrheit kundtun kann, weil sie den Medien nicht ins Narrativ passt. Meine Situation der vergangenen Jahre gehört zu einer der dümmsten, die ich in der Menschheitsgeschichte je gesehen habe. Hanebüchen, sinnlos und für sehr viele Menschen letztlich sehr schmerzhaft. Eine Person hat mich fälschlich beschuldigt und dafür eine riesige Menge Presse und Aufmerksamkeit bekommen, weil es gerade in den Zeitgeist passte.

Wollen Sie damit ernsthaft sagen, dass über Ihren Fall ohne die Metoo-Bewegung medial anders berichtet worden wäre?

Schwamm drüber. Ich will eigentlich gar nicht zurückblicken und nur schimpfen, wie furchtbar diese Zeit war. Meine Kinder sind gesund und wohlauf, was gibt es Wichtigeres? Klar, ich musste einiges aushalten, andere Menschen auch, und das war ein ebenso heftiger wie wichtiger Lernprozess. Aber letztlich konnte ich nach diesen Unmengen von Lügen meine Wahrheit sagen, und sie wurde gehört. Das war wichtig, vor allem, nachdem ich einen ersten Verleumdungsprozess gegen Rupert Murdoch und die armseligen Leute bei seinem Blatt „The Sun“ verloren hatte. Trotzdem ist es nicht im Entferntesten so, dass ich jeden Tag an diese Sache denke oder sie Einfluss auf jede meiner Entscheidungen hat.

Auf jeden Fall ist es kein Zufall, dass Sie momentan nicht mehr in Hollywood, sondern in Europa drehen, oder?

Na ja, manche Geschichten müssen nun einmal in Europa spielen. So wie nun „Jeanne du Barry“. Oder auch meine nächste Regiearbeit, über zwei Tage im Leben des Malers Modigliani. Der Film wird im Paris des frühen 20. Jahrhunderts spielen, deswegen drehen wir in Budapest, wo es noch ein bisschen nach dem alten Paris aussieht. So einfach ist das.

Sie haben also nicht per se den USA den Rücken gekehrt, weil Sie finden, dass man Sie dort ungerecht behandelt hat?

Sagen wir es mal so: Wenn man eben noch die halbe Nacht für den dritten Teil einer Blockbuster-Reihe vor der Kamera stand und einem am nächsten Morgen unmissverständlich nahegelegt wird, man möge sich doch bitte aus dem Projekt und der Rolle zurückziehen, kann man gar nicht anders, als sich gecancelt fühlen. So ging es zumindest mir. Entsprechend gibt es zwar meine Produktionsfirma Infinitum Nihil in den USA immer noch, aber ich sehe aktuell keine Notwendigkeit, in Hollywood Filme zu drehen und mich womöglich mit einem Studio zusammenzutun, das mir dann Vorschriften machen will. Die Leute, die dort größtenteils Filme verantworten, sind doch nicht viel mehr als Buchhalter, die bloß die immer gleichen, formelhaften Geschichten auf die Leinwand bringen. Da mache ich lieber mein eigenes Ding, mit meiner neuen kleinen Firma IN.2, die in Europa angesiedelt ist.

„Jeanne du Barry“ ist nun der erste Film, an dem Sie mit der Firma beteiligt sind. Was reizte Sie am neuen Werk der französischen Regisseurin Maïwenn?

Ich fand nicht nur die Titelfigur spannend, sondern vor allem den französischen König Ludwig XV., den ich spiele. Er ist eine öffentliche Figur und dauerhaft unter Beobachtung. Schon ab dem Moment, in dem er morgens geweckt wird, vom Hofstaat, von der Familie, von seinen Untertanen. Aber er hat eben auch noch eine vollkommen andere Seite. Und die kommt mit seiner Geliebten zutage. Bei ihr kommen seine Ängste und Unsicherheiten zutage. Er ist geradezu besessen von der Liebe zu Jeanne, bei der er seine Schwächen nicht verbergen muss. Das empfand ich als einen interessanten Blick auf ein männliches Ego.