Immer mehr Kohlendioxid sammelt sich in der Atmosphäre, zeigen Messungen. Die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe nehme zu wie Müll in einer Mülldeponie, erklären US-Experten. Der UN-Generalsekretär sieht die Menschheit mit ihrem Hang zum Fossilen auf einem „Highway zur Klima-Hölle“.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Das Treibhausgas Kohlendioxid sammelt sich neuen Daten zufolge in der Atmosphäre schneller an als je zuvor. Die Werte lägen inzwischen weit über denen während der gesamten bisherigen menschlichen Existenz, teilten die US-Wetterbehörde NOAA in Washington und die Scripps Institution of Oceanography der University of California in San Diego am Donnerstag (6. Juni) mit.

 

CO2-Konzentrationen steigen schneller als je zuvor

Von Januar bis April stiegen demnach ie CO2-Konzentrationen nach Angaben der NOAA- und Scripps-Wissenschaftler schneller als in den ersten vier Monaten jedes anderen erfassten Jahres.

Im Mai stieg der Gehalt an Kohlendioxid (CO2) am Mauna Loa Observatorium auf Hawaii auf einen saisonalen Höchstwert von knapp 427 Teilen pro Million Teile (genau: 426,90 ppm). Das sei ein Anstieg von 2,9 ppm im Vergleich zum Mai 2023 und der fünftgrößte jährliche Zuwachs in der 50-jährigen Aufzeichnung der NOAA, hieß es.

Verschmutzung durch fossile Brennstoffe

„Im vergangenen Jahr erlebten wir das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, die heißesten Ozeantemperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen und eine scheinbar endlose Reihe von Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, Waldbränden und Stürmen“, betont NOAA-Chef Rick Spinrad.

Länder mit dem größten CO2-Ausstoß. Foto: dpa-Infografik

„Jetzt stellen wir fest, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre schneller als je zuvor ansteigt.“ Das seien eindeutige Signale. Die Nutzung fossiler Brennstoffe müsse so schnell wie möglich reduziert werden.

„Die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe sammelt sich immer weiter an, ähnlich wie der Müll in einer Mülldeponie“, erläutert Ralph Keeling, Direktor des Scripps-CO2-Programms. „Der CO2-Gehalt ist jetzt nicht nur so hoch wie seit Millionen von Jahren nicht mehr, er steigt auch schneller als je zuvor.“

Investitionen in die Öl- und Gasindustrie steigen

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) mahnt verstärkte Investitionen in saubere Energien vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern an. Auch wenn von den 2024 erwarteten weltweiten Investitionen in den Energiesektor von rund 2,8 Billionen Euro zwei Drittel in saubere Energien einschließlich Kernkraft flössen, gebe es noch Ungleichgewichte und Defizite bei den Investitionsströmen.

Solar-Tower-Projekt in China. Foto: Imago/CFoto

Laut IEA wird erwartet, dass die weltweiten Investitionen in die Öl- und Gasindustrie in diesem Jahr um sieben Prozent auf 524 Milliarden Euro steigen, nachdem sie 2023 in ähnlichem Umfang zugenommen haben. Der Anstieg der Ausgaben werde vor allem von nationalen Ölgesellschaften im Nahen Osten und Asien getragen.

Russisches Roulette mit der Zukunft

Angesichts mehrerer Klimaberichte mit unheilvollen Daten zu einer beschleunigten Erderwärmung hatten die Vereinten Nationen erst am Mittwoch (5. Juni) eindringlich drastische Maßnahmen angemahnt. „Wir spielen mit unserem Planeten russisches Roulette“, warnt Generalsekretär António Guterres. „Wir brauchen eine Ausfahrt vom Highway zur Klima-Hölle.“

Guterres rief angesichts der Berichte zu einem Finanzierungs- und Werbeboykott der Industrie auf, die Profite mit fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl und Kohle macht. Regierungen sollten Werbung der Branche verbieten. Finanzinstitute sollten stattdessen in erneuerbare Energien investieren.

Die weltweiten Investitionen in die Öl- und Gasindustrie werden 2024 um sieben Prozent auf 524 Milliarden Euro steigen. Foto: Imago/Zoonar

Wie eine Decke in der Atmosphäre

Wie andere Treibhausgase auch wirke CO2 wie eine Decke in der Atmosphäre und verhindere, dass die von der Atmosphäre abgestrahlte Wärme in den Weltraum entweicht, heißt es zur Erläuterung von NOAA und Scripps.

Die Erwärmung führe zu extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren und Waldbränden sowie zu stärkeren Niederschlägen und Überschwemmungen. „Etwa die Hälfte des Kohlendioxids, das der Mensch in die Luft abgibt, verbleibt in der Atmosphäre. Die andere Hälfte wird an der Erdoberfläche absorbiert, und zwar zu etwa gleichen Teilen auf dem Land und im Meer.“

Ein Rekord jagt den nächsten

Die Konzentration der klimaschädlichen Treibhausgase in der Atmosphäre klettert von Rekord zu Rekord. Das wichtigste davon, Kohlendioxid (CO2), erreichte im vergangenen Jahr eine markante Marke: Die Konzentration lag 50 Prozent über dem vorindustriellen Niveau, hat die Weltwetterorganisation (World Meteorological Organization, WMO) am Mittwoch (15. November) in Genf berichtet.

In diesem Jahr hat sich demnach der Anstieg fortgesetzt. Auch die Treibhausgase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) erreichten im vergangenen Jahr Rekordwerte. „Trotz jahrzehntelanger Warnungen der Wissenschaftsgemeinde, trotz Tausender Berichtsseiten und Dutzenden von Klimakonferenzen bewegen wir uns immer noch in die falsche Richtung“, warnt WMO-Chef Petteri Taalas.

So hohe CO2-Konzentrationen wie zuletzt vor fünf Millionen Jahren

So hohe CO2-Konzentrationen wie jetzt habe es zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren gegeben, schreibt die UN-Wetterorganisation. Da lag die Durchschnittstemperatur zwei bis drei Grad höher und die Meeresspiegel waren zehn bis 20 Meter höher. Laut WMO lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im vergangenen Jahr bei 417,9 ppm (parts per million – Teilchen CO2 pro Millionen Teilchen), das ist ein Anstieg um 2,2 ppm im Vergleich zum Vorjahr.

Weil CO2 eine lange Lebensdauer hat, werde der schon jetzt eingetretene Temperaturanstieg noch Jahrzehnte anhalten – selbst dann, wenn die Emissionen schnell auf Null reduziert würden.