Für Empörung sorgt bei Bauern in Deutschland ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, der unter anderem die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vorsieht.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Dies wird keine Vergnügungsreise für die EU-Parlamentarier. Der Ausschuss für Landwirtschaft besucht in diesen Tagen die Niederlande, wo die Delegation auf ziemlich wütende Gesprächspartner treffen wird. Wegen der umstrittenen Agrarpolitik der Regierung und der EU kam es im vergangenen Sommer sogar zu gewalttätigen Protesten der Bauern.

 

Dieser Unmut hat längst breitere Schichten der niederländischen Gesellschaft erreicht. Im März feierte die Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) bei den Provinzwahlen einen Erdrutschsieg und wurde aus dem Stand in fast allen zwölf Provinzen zur stärksten Kraft. Gegründet wurde die Partei erst Ende 2019 und entstand damals im Zuge der beginnenden Proteste gegen die verordnete Verminderung des Stickstoffausstoßes in der Landwirtschaft. Im Raum steht, dass aus diesem Grund viele Viehbetriebe sogar schließen müssten. Inzwischen tummeln sich in den Reihen der Bewegung auch nationalistische Kräfte des extremen rechten Randes.

Die EU-Parlamentarier werden mit dem niederländischen Landwirtschaftsminister Piet Adema über den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen sprechen. Dazu gehören etwa neue Züchtungstechniken bei Nutzpflanzen, die Ausweitung des ökologischen Landbaus und auch das immer wichtiger werdende Wassermanagement. Und natürlich werden die Bauernproteste eines der zentralen Themen sein.

„Ich bin mir der verschiedenen aktuellen Herausforderungen bewusst, mit denen niederländische Landwirte und Lebensmittelproduzenten konfrontiert sind“, erklärte der Ausschussvorsitzende Norbert Lins kurz vor der Abreise. Ziel sei es, ihre verschiedenen Stimmen zu hören. Der CDU-Politiker wird die turbulente Entwicklung in den Niederlanden sehr genau beobachten, denn auch in Deutschland wächst unter den Landwirten der Ärger über die Umweltvorgaben aus Brüssel und Berlin.

Mit großer Sorge sehen die Bauern, dass die Bedingungen noch verschärft werden sollen, unter denen sie produzieren sollen. Geradezu für Empörung sorgt in Deutschland ein Gesetzesvorschlag, den die EU-Kommission im vergangenen Sommer präsentiert hat und unter anderem eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vorsieht. Die Bauernverbände warnen inzwischen sogar vor einem Höfesterben, sollten die Vorgaben umgesetzt werden müssen. Zudem sei auch angesichts des Angriffskrieges in der Ukraine und der dortigen Ernteausfälle die Versorgungssicherheit der Menschen mit Nahrungsmitteln bedroht.

Die EU müsse sich „jetzt entscheiden, welchen Weg sie gehen will“, betont Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Wolle sie „die landwirtschaftliche Erzeugung in Europa durch überzogene Vorgaben reduzieren und gleichzeitig die Importe erhöhen oder einer nachhaltigen Landwirtschaft Perspektiven aufzeigen, die die Ernährung in Europa sicherstellt“?

Die edEU-Kommission hingegen sieht eher im bisherigen Einsatz der Chemikalien ein Risiko für die Ernährungssicherheit. „Weitermachen wie bisher gefährdet die natürlichen Ressourcen, unsere Gesundheit, das Klima und die Wirtschaft“, heißt es indes aus Brüssel.

Auch der CDU-Europaparlamentarier Norbert Lins setzt sich dafür ein, dass manche Vorgaben entschärft werden. Man habe mit dem sogenannten Green Deal der EU erreicht, dass ein ambitionierter Klima- und Umweltschutz möglich sei. Doch er warnt davor, die Landwirte zu überfordern. Damit provoziert Lins aber scharfen Widerspruch aus den Reihen der Grünen. Der EU-Parlamentarier Martin Häusling hält die Aussagen seine CDU-Kollegen für „komplett abstrus“. Er ist überzeugt: „Die größte Bedrohung für die Ernährungssicherheit sind der Klimawandel und der Zusammenbruch der Ökosysteme.“ Beides könne nicht verhindert werden, indem die Ziele des Naturschutzes verwässert würden, sagt Häusling und wirft den konservativen Parteien im Europaparlament vor, wissenschaftliche Fakten zu ignorieren und sich mit der vor allem am Gewinn orientierten Agrarindustrie und den Lebensmittelkonzernen gemein zu machen.

In den nächsten Wochen will die EU-Kommission den Gesetzesentwurf vorlegen, über den bereits jetzt heftig gestritten wird. Dabei ist die Reduzierung von Pestiziden nur ein Punkt unter vielen. Geregelt werden soll etwa auch, wie viel Gentechnik in Zukunft bei der Pflanzenzucht erlaubt sein wird. Auch das ist ein Markt, in dem es Milliarden Euro zu verdienen gibt und der dementsprechend umstritten ist.