Hier Aufbruch, dort Melancholie. Nach der Wahl Kretschmanns zum Ministerpräsidenten endet die Amtszeit des schwarz-gelben Landeskabinetts.

Stuttgart - Das große Stühlerücken naht. Am kommenden Donnerstag, nach der Wahl Winfried Kretschmanns zum Ministerpräsidenten, endet endgültig die Amtszeit des schwarz-gelben Landeskabinetts. Die neuen Ministerinnen und Minister sowie Staatssekretäre samt ihres jeweiligen Trosses übernehmen die ihnen zugewiesenen Ressorts. Das Protokoll des Tages steht schon weitgehend fest.

 

Am Vormittag um elf Uhr versammelt sich der Landtag zur Wahl des Ministerpräsidenten. Dabei bedarf Kretschmann der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments. Grüne und SPD verfügen über 71 Stimmen, CDU und FDP bringen es auf 67 Stimmen. Bei insgesamt 138 Abgeordneten benötigt Kretschmann 70 Stimmen, um die absolute Mehrheit zu erringen. Nach geglückter Wahl muss der 62-Jährige nur noch zweimal den Mund aufmachen, um als neunter Ministerpräsident in die Geschichte Baden-Württembergs einzugehen. Zunächst wird von ihm der Satz verlangt: "Ich nehme die Wahl an." Danach legt er den Amtseid ab. Nach der Verfassungskommentierung ist die Annahme der Wahl durch den Gewählten Voraussetzung dafür, dass sie staatsrechtlich wirksam wird. "Nimmt er die Wahl nicht an, ist sie gescheitert", schreibt Klaus Braun in seinem Kommentar zur Landesverfassung.

Das neue Kabinett muss vereidigt werden

Nach einer Unterbrechung kommt der Landtag erneut zusammen, auf dass Kretschmann seine Ministerliste bekanntgeben kann. Die Verfassung schreibt vor, dass das Kabinett vom Parlament bestätigt werden muss. Dazu reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt endet die geschäftsführende Tätigkeit der alten Regierung. Und erst jetzt übernimmt auch der neue Ministerpräsident sein Amt umfassend und mit allen Kompetenzen. Außerdem gilt es noch, das neue Kabinett zu vereidigen. Im Landtagsbüro des Ministerpräsidenten ist außerdem ein Übergabegespräch zwischen Kretschmann und seinem Vorgänger Stefan Mappus vorgesehen.

Anschließend bewegt sich die neue Regierungsmannschaft hinauf in Stuttgarter Halbhöhenlage zum Staatsministerium, wo sie vom Amtschef der Regierungszentrale, dem Staatssekretär Hubert Wicker (CDU), empfangen wird. In der Villa Reitzenstein übergibt Kretschmann seinem Kabinett die Bestallungsurkunden. Zum Kabinett gehören die Ministerinnen und Minister, außerdem die noch nicht benannte Staatsrätin sowie die Staatssekretärin mit Stimmrecht in der Regierung, Gisela Splett. Die sogenannten politischen Staatssekretäre verfügen über kein Stimmrecht im Kabinett und gehören ihm deshalb formal nicht an, auch wenn sie an den Sitzungen teilnehmen. Sie legen ihren Amtseid vor Kretschmann im Staatsministerium ab. Dann folgen das obligatorische Gruppenfoto der Regierung und auch eine erste, kurze Kabinettssitzung, bei der es um organisatorische Fragen wie die Geschäftsverteilung innerhalb der Regierung gehen soll.

Die scheidenden Ressortchefs sortieren sich neu

Danach erst können die Ressortminister ihre jeweiligen Häuser übernehmen. Die Minister der alten schwarz-gelben Regierung sind zu diesem Zeitpunkt bereits gewesene Minister. Im Amt befinden sich jedoch noch ihre beamteten Stellvertreter, die Ministerialdirektoren. Sie sind politische Beamte, die beim Regierungswechsel in den einstweiligen Ruhestand geschickt werden. Doch zuvor müssen sie formell entlassen werden.

In den Stäben der Ministerien hat sich nach der Landtagswahl eine gewisse Melancholie, da und dort auch Nervosität festgesetzt. Wer bleibt? Wer geht? Wer wird versetzt? Solche Fragen nagen an den Nerven der Mitarbeiter. Die gestaltende Regierungstätigkeit ist seit dem 27. März vollständig zur Ruhe gekommen. Doch der von der grün-roten Koalition vereinbarte Neuzuschnitt einiger Ministerien wird den Apparat bald wieder in Schwung bringen - jedoch mit der Folge, dass beachtliche Teile der Ministerialbürokratie für eine gewisse Zeit in Sitzungen, Besprechungen und Vermerken vornehmlich mit sich selbst beschäftigt sein werden. Ganze Abteilungen in den Ressorts werden zerschnitten und neu zugeteilt - samt der Mittel und Stellen, die damit verbunden sind.

Auch die scheidenden Ressortchefs sortieren sich neu. Die einen lassen ihre Karriere auslaufen, bleiben - sofern sie ein Mandat errungen haben - noch für eine Weile oder auch eine Legislatur im Landtag. Andere warten auf eine Chance innerhalb oder außerhalb der Politik.