Die Stadt zeigt sich „sehr verwundert“ über die Petition, die das geplante Tempolimit im Stuttgarter City-Bereich ausbremst. Viele Bürger befürworten das Vorhaben.

Tempo 20 innerhalb des City-Rings ist erst einmal ausgebremst. Eigentlich hätte die Stadtverwaltung am Montag mit dem Aufstellen der Schilder beginnen sollen. Doch eine im baden-württembergischen Landtag eingebrachte Online-Petition macht den Plänen der Stadt jetzt vorerst einen Strich durch die Rechnung.

 

„Wir sind sehr verwundert darüber, dass Einzelpersonen oder, wie in diesem Fall, eine Initiative, die keinen lokalen Bezug hat, einen Beschluss des Gemeinderats ausbremsen können“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt. Zwar habe jeder das Recht, eine Petition einzureichen, betont Matis. Er erinnert jedoch daran, dass die Entscheidung zum flächendeckenden Tempo 20 im City-Bereich auf Grundlage einer Bürgerbeteiligung getroffen worden war. „Wir hatten das Gesamtkonzept ‚Lebenswerte Innenstadt‘ im Vorfeld mit vielen Akteuren besprochen und detailliert konzipiert.“

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Die „Initiative Verkehrsfluss statt Tempolimits – Freie Fahrt fürs Ländle“ wird seit mehreren Jahren gegen Tempolimits aktiv, sammelt Stimmen via Internet oder Geld, um gegen Tempo 120 auf der B 28 zwischen Reutlingen und Metzingen zu klagen. Immer wieder reicht sie auch Petitionen beim Landtag ein, um die Umsetzung von Tempolimits zu verzögern. So etwa gegen Tempo 40 am Neckartor oder Tempo 30 in Beuren. Wie der Sprecher der Stadt erklärt, werden die bereits aufgestellten neuen Verkehrsschilder so lange verhüllt bleiben, „bis der Petitionssauschuss des Landtags grünes Licht gibt oder wir eine Ausnahmegenehmigung erhalten“. Bis dahin habe die Einreichung der Petition ein sogenanntes Stillhalteabkommen zur Folge. Soll heißen: Vorerst muss in Sachen Temporegelung zwischen B 14 und der Theodor-Heuss-Straße alles beim Alten bleiben. Die nächste Sitzung des Petitionsausschusses ist für den 5. Mai angesetzt. Im Bereich der Lautenschlagerstraße und der Tübinger Straße gilt Tempo 20 ohnehin schon. Daran ändert auch die Petition nichts.

Verständnis für Temporeduzierung

Hört man sich in der Stadt um, zeigen die meisten Bürger Verständnis für das Anliegen der Kommunalpolitik, mit einer weiteren Temporeduzierung die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern. „Die engen Straßen sind mitunter unübersichtlich“, sagt zum Beispiel Julius Kulossa. „Zum Teil fährt der Lieferverkehr morgens viel zu schnell durch die Straßen.“ Doch Sinn ergebe die Regelung nur, sagt der 28-jährige Student, wenn sie durchgesetzt und kontrolliert werden würde. Dass Gegner des Tempolimits aufbegehren, hält er in einer Demokratie für legitim.

Schilder werden verhüllt

Anna, 28, aus Leipzig, betont, dass bei ordentlich ausgebauten Radwegen die Sicherheit von Fahrradfahrern ohnehin nicht davon abhängig sei, wie stark der Autoverkehr ausgebremst werde. „In Städten mit einer guten Radwegeinfrastruktur können Autos auch 40 Stundenkilometer fahren. Als Beispiel nennt sie ihre Heimatstadt Leipzig, wo die Radwege gut ausgebaut seien: „Dort sieht das ganz anders aus als in Stuttgart.“

„Ziemlich deutsch“

Ins selbe Horn stößt Janne Rockowicz. Der 24 Jahre alte Student der Wirtschaftspsychologie betont, dass in Städten wie Tübingen oder Kiel die „Atmosphäre für Fußgänger und Radfahrer grundsätzlich besser ist“. Auch in Sachen Feinstaub und Lärmreduzierung, glaubt Rockowicz, hätte Tempo 20 positive Auswirkungen. Es spreche einiges für eine Tempo-Reduzierung.

Dagegen fürchtet Zeljko Rankovic, dass die Stausituation durch ein Tempo-20-Limit nicht besser werde. „Dieses Problem sollte erst einmal gelöst werden“, so der 40-jährige Projektleiter aus Stuttgart. Um den Autoverkehr zu verflüssigen, sei „bereits 40 Stundenkilometer zu langsam“. „Unproblematisch“, findet die Temporeduzierung ein 24-jähriger Polizist aus Heilbronn, der sich privat in Stuttgart aufhält. „Das ist reine Gewohnheitssache“, sagt er. Seine 23-jährige Kollegin hält es „für ziemlich deutsch, dass es Menschen gibt, die sich über die Geschwindigkeitsreduzierung aufregen“.