Mehrere Bundestagsabgeordnete waren zu einer Diskussionsrunde an ein Reutlinger Gymnasium eingeladen. Der AfD-Vertreter wurde wieder ausgeladen und wetterte anschließend gegen den Rektor. Auch die Schulaufsicht beschäftigt sich mit dem Fall.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Eigentlich sollte es doch um Politik gehen, um Inhalte, um Themen wie ein Tempolimit auf Autobahnen, Asylverfahren oder eine Vermögenssteuer. Doch bereits vor und auch nach der Diskussionsrunde zwischen Schülern des Reutlinger Johannes-Kepler-Gymnasiums und mehreren Bundestagsabgeordneten am vergangenen Montag drehte sich viel um die Frage: Warum wurde der Vertreter der AfD-Fraktion erst ein- und dann wieder ausgeladen?

 

Vertreter von SPD und Grüne begrüßten die Ausladung des AfD-Politikers

„Ich will einer Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, von der einige Landesverbände sowie die Jugendorganisation als gesichert rechtsextrem eingestuft werden, keine Bühne bieten“, sagt Schulleiter Thomas Moser. Zudem hätten rund ein Drittel der Schüler des Gymnasiums einen Migrationshintergrund. „Sie fragen sich, ob sie ‚remigriert’ werden, wenn die AfD an die Macht kommt“, sagt Moser. Besonders seit den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremen mit unter anderem AfD-Politikern seien viele der Schüler besorgt. Die Einladung sei vor den veröffentlichten Recherchen verschickt worden. Jetzt sei es aber schwierig, AfD-Vertreter einzuladen, sagt Moser, der für seine Entscheidung viel Rückendeckung von Schülern, Lehrern und Eltern erfährt.

Auch die eingeladenen Vertreter der SPD und der Grünen begrüßten die Ausladung des AfD-Abgeordneten Dirk Spaniel. Denn Martin Rosemann (SPD) und Beate Müller-Gemmeke (Grüne) hatten zuvor angekündigt, auf ihre Teilnahme verzichten zu wollen – sollte Spaniel dort ebenfalls auftauchen. So kam es aber nicht, weil sich Schulleiter Moser lieber für die Absage an Spaniel entschied.

Auf die Ausladung folgte eine heftige Reaktion des AfD-Politikers in einem Video

„Die AfD ist demokratie-und verfassungsfeindlich“, sagt Müller-Gemmeke: „Da muss die Demokratie wehrhaft sein und darf keine Bühne bieten.“ Ihr Kollege von der SPD stimmt zu: „Die AfD ist keine normale Partei. Es war gut und wichtig, dass der Schulleiter eine klare Haltung gezeigt hat“, sagt Rosemann.

Auf die Ausladung folgte eine heftige Reaktion des AfD-Politikers in einem Video, das knapp 70 000 Aufrufe auf Youtube zählt und in dem er gegen Schulleiter Moser wettert: „Er glaubt, dass ihr zu doof seid, ohne den geistigen Beistand von ihm oder anderen Lehrern gute von schlechten Argumenten zu unterscheiden“, sagt Spaniel unter anderem. Für den SPD-Politiker Rosemann ist das Video der Beweis, dass Mosers Entscheidung richtig gewesen sei. Aber nicht alle eingeladenen Bundestagsabgeordneten halten die Ausladung des AfD-Vertreters für eine kluge Lösung.

Inzwischen hat sich auch die zuständige Schulaufsicht eingeschaltet

„Wir müssen die AfD mit Inhalten schlagen und nicht, indem man sich der Diskussion mit ihr entzieht, mit dem Finger auf sie zeigt oder ihre Wähler beschimpft“, argumentiert der CDU-Abgeordnete Michael Donth. Es gebe jede Menge Angriffspunkte wie der kürzlich von AfD-Chefin Alice Weidel ins Spiel gebrachte „Dexit“, der Ausstieg Deutschlands aus der EU, „um aufzuzeigen, dass eine Politik der AfD fatale Folgen für unser Land hätte“, sagt Donth. Die rechtspopulistische Partei sei „gefährlich“, aber es sei nicht richtig, AfD-Vertreter grundsätzlich auszuschließen.

Inzwischen hat sich auch die zuständige Schulaufsicht eingeschaltet – und vertritt offenbar eine andere Position als der Schulleiter. Wie Moser berichtet, habe ihn ein Vertreter des Regierungspräsidiums Tübingen, an dem die Schulaufsicht angesiedelt ist, auf die Neutralitätspflicht aufmerksam gemacht. Laut diesem hätte bei einem solchen Diskussionsformat auch die AfD eingeladen werden müssen.

Das RP Tübingen zeigt aber auch Verständnis für die Beweggründe des Schulleiters aufgrund des hohen Anteils von Schülern mit Migrationshintergrund, die „von der aktuellen Debatte verstört sind“.