Der Verdacht, dass die Weichmacher-Rückstände in Urinproben aus Sonnenschutzmitteln stammen, verdichtet sich. Die Behörden im Südwesten ziehen daraus nun Konsequenzen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Die kürzlich bekannt gewordenen Funde des fortpflanzungsschädlichen Stoffs MnHexP (Mono-n-hexyl-Phthalat) im Urin von Kindern und Erwachsenen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Sonnenschutzmittel zurückzuführen, die mit dem Weichmacher DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat) verunreinigt waren. MnHexP ist ein Abbauprodukt von DnHexP. Das Umweltbundesamt (Uba) hatte Sonnenschutzmittel bereits Anfang Februar als mögliche Ursache für die auffälligen Laborergebnisse genannt.

 

In dieselbe Richtung deuten Analysen des in Baden-Württemberg zuständigen Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Stuttgart. Die Behörde hat vor dem Hintergrund der Uba-Mitteilung Proben von Sonnenschutzmitteln nachträglich auf DnHexP untersucht – 40 Proben aus dem Jahr 2023 sowie sechs aus dem Jahr 2021 und elf aus dem Jahr 2020. Dabei wurde in 21 Sonnenschutzmitteln DnHexP in Konzentrationen von 0,3 bis 16 Milligramm pro Kilo gefunden, in vier Proben waren es mehr als zehn Milligramm. Produktnamen nennt das verantwortliche Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) auf Anfrage nicht. „Bei den vier Produkten mit den höchsten nachgewiesenen Gehalten handelt es ich um Produkte eines Herstellers mit einem Lichtschutzfaktor von 30 beziehungsweise 50 sowie ein weiteres Sonnenschutzprodukt mit Lichtschutzfaktor 20“, teilt das Ministerium lediglich mit.

Verunreinigte UV-Filter

Die Funde von DnHexP in den Sonnenschutzmitteln dürften Berichten zufolge aus Verunreinigungen in einem der verwendeten UV-Filter zurückzuführen sein. Diese chemischen Filter wandeln die energiereiche UV-Strahlung des Sonnenlichts in unschädliche Wärmeenergie um und schützen dadurch die Haut. Nur wenige Sonnenschutzmittel nutzen physikalische Filter, die Sonnenlicht reflektieren und der Haut eine weißliche Färbung geben.

Als mögliche Quelle für den Weichmacher in Sonnenschutzmitteln gilt der weit verbreitete UV-Filter DHHB (Dietylamino Hydroybenzoyl Hexyl Benzoate), wie der „Spiegel“ berichtet. DHHB wird der unter anderem von BASF produziert. Bei der Herstellung kann demnach DnHexP als Nebenprodukt entstehen. Darauf werde in einer Patentschrift des Konzerns explizit hingewiesen – verbunden mit dem Hinweis, dass der Weichmacher „die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das ungeborene Kind schädigen“ könne. BASF sieht dem Bericht zufolge jedoch keinen Zusammenhang zwischen Sonnenschutzmitteln und dem MnHexP in Urinproben und verweise darauf, dass DHHB auch von anderen Firmen produziert werde.

DnHexP darf in der EU seit 2023 nicht mehr ohne Zulassung verwendet werden. Entsprechende Anträge wurden laut Uba nicht gestellt. Die schädliche Wirkung des Weichmachers wurde in Tierversuchen nachgewiesen. Durch seine hormonähnlichen Eigenschaften kann er sich vor allem negativ auf die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib auswirken.

Nicht auf Sonnenschutz verzichten

In den Urinproben seien teilweise Konzentrationen gefunden worden, bei denen eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen sei, so Uba-Toxikologin Marike Kolossa. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält es hingegen für unwahrscheinlich, dass es durch Sonnenschutzmittel, die einen möglicherweise mit DnHexP verunreinigten UV-Filter enthielten, bei den gefundenen Konzentrationen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen komme. Experten raten auch davon ab, vor dem Hintergrund der Ergebnisse auf Sonnenschutz zu verzichten. Wer ganz sicher gehen will, kann Produkte ohne DHHB verwenden.

Das MLR in Stuttgart verweist ebenfalls auf die aktuelle BfR- Stellungnahme. Demnach lägen „bisher keine belastbaren Informationen vor, dass kosmetische Mittel, die UV-Filter enthalten, tatsächlich in relevanten Größenordnungen mit Stoffen verunreinigt sind, die zur Bildung von MnHexP führen könnten“. Dennoch werde die amtliche Kosmetiküberwachung zukünftig eine mögliche Kontamination von Sonnenschutzmitteln mit DnHexP berücksichtigen.