Der ukrainische Präsident Selenskyi wird in Brüssel als Gast erwartet. Die Staats- und Regierungschefs müssen sich aber nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine Sorgen machen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Das geschwätzige Brüssel ist kein guter Ort, um Geheimnisse zu wahren. So war auch die Reise Wolodymyr Selenskyjs zum EU-Gipfel am Donnerstag schnell in aller Munde. Der ukrainische Präsident will bei den Staats- und Regierungschefs der Union noch einmal um Unterstützung für sein Land im Krieg gegen Russland zu werben. Bereits tags zuvor war er zu einem Kurzbesuch in Großbritannien und Frankreich. In Paris traf er auch auf Bundeskanzler Olaf Scholz.

 

Der überraschende Auftritt Selenskyjs überstrahlt die beiden anderen zentralen Themen des Treffens, was den meisten Staats- und Regierungschefs nicht ganz ungelegen kommt. Denn weder im Subventionsstreit mit den USA noch in Sachen Migration tritt die Union auf der Stelle.

Habeck und Le Maire mir leeren Händen

Anfang dieser Woche hatten sich noch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire auf den Weg in die USA gemacht, doch sie kehrten ohne konkrete Zusagen zum künftigen Marktzugang für europäische Firmen zurück. Hintergrund der Gespräche in Washington war der Inflation Reduction Act (IRA), der hohe Subventionen und Steuergutschriften für US-Unternehmen vorsieht. Das Problem aus deutscher und europäischer Sicht: Viele dieser Hilfen sind daran geknüpft, dass profitierende Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren – was in der EU Sorge vor Wettbewerbsnachteilen auslöst.

Anstatt auf seine beiden Besucher aus Europa zuzugehen, legte US-Präsident Joe Biden allerdings noch nach. „Ich weiß, dass ich dafür kritisiert wurde, aber ich werde meine Meinung nicht ändern. Wir werden dafür sorgen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt“, sagte Biden am Dienstag in seiner Rede zur Lage der Nation.

Streit um das Thema Migration

Verfahren ist die Situation auch beim Thema Migration. Mehrere Staaten drängten bereits im Vorfeld des Treffens auf konkrete Fortschritte bei den Beratungen, um die im vergangenen Jahr wieder stark angestiegene illegale Migration einzudämmen. Zum Wortführer der Gruppe machte sich Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Er drohte am Mittwoch, die gemeinsame Abschlusserklärung zu blockieren, falls keine konkreten Vereinbarungen zu Migrationsfragen erzielt werden.

„Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget dafür“, forderte der Regierungschef aus Wien. Klagen kommen auch aus den Niederlanden. Dessen Premier Mark Rutte sagt, sein Land sei überfordert mit der Aufnahme von Flüchtlingen, die gar nicht dort hätten ankommen dürften.

Eine magere Bilanz der EU

Zwar wurde bereits im Jahr 2020 von der EU-Kommission ein „Migrationspakt“ präsentiert, in dem die zentralen Fragen geklärt schienen. So sollen etwa immer mehr Aufgaben bei Erfassung, Kontrolle und auch Rückführung von Migranten an den Außengrenzen erledigt werden. Gleichzeitig sollen die die Asylbewerber gerecht auf die EU-Länder verteilt werden. Nun heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission, dass auf dem Gipfel die „Umsetzung der früheren Schlussfolgerungen zu einem umfassenden Migrationskonzept“ bewertet werden sollen. Die Bewertung dürfte vernichtend ausfallen, denn umgesetzt wurde praktisch nichts.