5000 Euro Bußgeld pro Auto mit manipulierter Motorsteuerung – das wäre rechtlich möglich. Baden-Württemberg unterstützt nun Überlegungen, mit solchen Einnahmen die Nachrüstung alter Dieselfahrzeuge zu fördern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Meldung des „Spiegels“ schlug bundesweit Wellen. Zwei Bundesländer verlangten, dass Autohersteller wegen Dieselmanipulationen mit hohen Bußgeldern belegt werden sollten: Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann (Grüne) an der Spitze und das von Volker Bouffier (CDU) regierte Hessen. Folge der Bund dem Vorstoß in dem Länderpapier, berichtete das Nachrichtenmagazin, könnten sich die Strafzahlungen von bis zu 5000 Euro je Fahrzeug auf einen Milliardenbetrag summieren.

 

So weit ist es indes noch nicht. Kretschmann hat mit dem angeblichen Vorstoß seines Landes bisher gar nichts zu tun, nicht einmal der fachlich zuständige Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist bisher eingebunden. Es handele sich um „einen Entwurf der Arbeitsebene, mit dem die politische Ebene noch nicht befasst war“, sagt Hermanns Sprecher. Doch Grüne und CDU zeigen sich grundsätzlich offen dafür, die Autokonzerne auch finanziell zur Rechenschaft zu ziehen.

Vorschlag kommt von Verbraucherzentralen

Anlass des Ländervotums sind die Ergebnisse des jüngst bekannt gewordenen zweiten Gutachtens zur Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen. Der Ausstoß an Stickoxiden lasse sich damit deutlich senken, befanden fünf Professoren im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, doch dies habe einen hohen Preis: die Kosten lägen bei über 5000 Euro, zudem müssten die Autobesitzer „mit Qualitätseinbußen und einem Kraftstoffmehrverbrauch rechnen“. Im ersten Gutachten war ein Kollege noch von etwa 3000 Euro ausgegangen. Die Berliner Koalition ist über die Hardware-Nachrüstung völlig uneins, zumindest ein Teil der Kosten dafür bliebe wohl an den Besitzern hängen.

Vor diesem Hintergrund unterstützte Baden-Württemberg in einer Arbeitsgruppe des „Nationalen Forums Diesel“ einen Vorschlag, den der Dachverband der Verbraucherzentralen (vzbv) eingebracht hatte: Über Bußgeldzahlungen der Autohersteller solle die Hardware-Nachrüstung mit finanziert werden. Die rechtliche Grundlage dafür bietet eine EU-Vorschrift, nach der in Fällen wie dem Dieselbetrug eine Sanktion von 5000 Euro pro Fahrzeug festgesetzt werden kann. Man solle besonders jene Hersteller ins Visier nehmen, „die auch nach Bekanntwerden des Abgasskandals erneut, beziehungsweise weiterhin, unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut haben“, heißt es in dem Sondervotum. Mit den Einnahmen könnten „wirtschaftlich schwächere Halter“ beim Kauf eines sauberen Neufahrzeugs oder bei der Nachrüstung unterstützt werden. Hinter diese Forderung stellten sich Vertreter mehrerer Länder-Verkehrsministerien – darunter auch aus Baden-Württemberg –, aber auch Verbände wie der Naturschutzbund oder die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Umwelthilfe fordert 110-Millionen-Bußgeld für Porsche

Die DUH hatte 2017 bereits einen ganz konkreten Vorstoß unternommen: Beim Kraftfahrtbundesamt beantragte sie, wegen des Einbaus illegaler Abschalteinrichtungen beim Porsche Cayenne TDI ein Bußgeld gegen die Sportwagenfirma zu verhängen. Bei 22 000 betroffenen Fahrzeugen summiere sich dieses auf 110 Millionen Euro. Die Flensburger Behörde bestätigte zwar, grundsätzlich dafür zuständig zu sein, aber angesichts der laufenden Ermittlungen gegen Porsche habe man die Anregung an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weitergeleitet; diese wäre auch für die Verfolgung einer möglichen Ordnungswidrigkeit zuständig. Den Ermittlern vertraue man weitaus mehr als dem Amt, dessen Präsident Schreiben mit „industriefreundlichen Grüßen“ unterschreibe, kommentierte der DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

Auch wenn die Bußgeld-Idee politisch noch nicht abgesegnet ist – für eine Distanzierung sieht Verkehrsminister Hermann keinen Anlass. Das Sondervotum enthalte daneben eine Reihe zentraler Forderungen Baden-Württembergs, sagt sein Sprecher: etwa die Blaue Plakette, die Nachrüstung oder die Übernahme von Verantwortung für die Hersteller. Auch der Koalitionspartner CDU zeigt sich offen für Sanktionen. Es sei klar, dass die betroffenen Hersteller „Konsequenzen spüren müssen“, sagt ein Sprecher der von Wolfgang Reinhart geführten Landtagsfraktion. Die „Frage von angemessenen Bußgeldern“ sei zu klären, könne aber erst der zweite Schritt sein. Das Wichtigste sei, dass die Käufer der manipulierten Fahrzeuge eine Wiedergutmachung erhielten. Ihre Autos sollten nicht nur ein Software-Update, sondern „auf jeden Fall eine Hardware-Nachrüstung erhalten“, betont der Fraktionssprecher.

„Durch Strafe nicht weniger Schadstoffe“

Etwas weniger aufgeschlossen äußert sich der Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Bußgelder für die Autohersteller würden „nicht für bessere Luft sorgen“, sagte er unserer Zeitung; durch eine Strafzahlung sei „noch kein Gramm Feinstaub oder NOx weniger in der Luft“. Vorrangig solle man daher auf den Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel oder technologische Lösungen setzen. Ein verbindliches Votum der Landesregierung, betont der Strobl-Sprecher, müsse natürlich noch „mit den beteiligten Ministerien abgestimmt werden“.